Sparpolitik in Berlin: Das bisschen Haushalt

Seit einem Jahr streiten sich Bezirke und Senat über den Haushalt. Nun soll das Schlimmste abgewendet sein. Linke und Grüne sind dennoch unzufrieden

Die Parkhausmeister Parkhausmeister*innen Oliver Both-Asmus und Steph Wintz pflanzen Blumen im Park Hasenheide in Neukoelln, Berlin. Seit August 2020 sind die Parkpfleger bzw. Parkhausmeister vom Prinzessiinnengaerten kollektiv Berlin unter dem Motto Fair Play im Park im Auftrag des Strassen- und Gruenflaechenamt Neukoelln in drei verschiedenen Gruenanlagen unterwegs: in der Hasenheide, im Park am Buschkrug und im Gruenzug Britz-Buckow-Rudow. Das Team raeumt auf, nimmt kleine Reparaturen vor, sucht das Gespraech um gemeinsam Ideen fuer eine nachhaltige Parknutzung zu entwickeln.

Auch bei der Pflege der Parks, wie hier durch Park­haus­meis­te­r*in­nen in der Hasenheide, wird gespart Foto: Stefan Boness

BERLIN taz | Haushaltschaos – selten hat man diesen Begriff in Berlin so oft gehört wie in den vergangenen Monaten. Dabei geht es nicht etwa um ungewaschenes Geschirr und dreckige Wäsche, sondern darum, wer wie viel Steuergeld für was bekommt – wobei sich die Politiker bisweilen ebenso zanken wie die Mitbewohner einer Studenten-WG.

Bereits Mitte Dezember wurde im Abgeordnetenhaus der Doppelhaushalt 24/25 verabschiedet. Mit einem Volumen von rund 40 Milliarden Euro pro Jahr handelt es sich um einen Rekord-Etat. Der Streit ums Geld war damit aber noch lange nicht beendet: Die Proteste gegen die geplanten Sparvorhaben wollen nicht abreißen.

Die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln sahen sich angesichts der Kürzungen gar gezwungen, zum Jahresstart eine Haushaltssperre zu verhängen – Mitte hatte seinen bereits im Sommer gesperrt. Die Folge: Es wurde nur das Nötigste finanziert, viele soziale und kulturelle Projekte erhielten nur vorläufige Bescheide und müssen um ihre Mittel bangen.

Nicht nur die Bezirke, auch die Senatsverwaltungen sollten rigoros sparen: Insgesamt etwa 1,75 Milliarden Euro – jeweils 5,9 Prozent ihres Budgets. Doch seit Montag ist klar: Das Schlimmste wurde abgewendet. Die einzelnen Ressorts müssen in diesem Jahr nur noch 2 Prozent ihres Budgets einsparen. „Absolut machbar“, findet Regierungschef Kai Wegner (CDU).

560 Millionen fehlen

Dass nun doch weniger gespart werden muss, liegt an einem Rechentrick: Gelder, die eigentlich bereits verplant sind, aber vermutlich nicht genutzt werden, dürfen an anderer Stelle eingesetzt werden. Diese pauschalen Minderausgaben sind jetzt der Rettungsring für die Senatsverwaltungen.

Vor allem aus der Wohnungsbauförderung (235 Millionen) und voraussichtlich unbesetzten Personalstellen (220 Millionen) soll viel Geld abfallen. Aber auch beim Schulneubau und beim ÖPNV sollen Mil­lio­nen liegen bleiben. Aus dem Mangel an Fachkräften wird also ein Plus für die Haushaltskasse. „Wir haben buchstäblich die letzte Luft aus dem Haushalt gepresst“, so Finanzsenator Stefan Evers (CDU).

Die Fraktionsvorsitzenden von Grünen und Linken

„Wir erwarten, dass die Koalition einen sozialen Kahlschlag verhindert.“

Dennoch ist weiterhin unklar, wo die einzelnen Ressorts die restlichen rund 560 Millionen aus ihren Budgets einsparen sollen. Die Linke hält dieses Vorgehen für „unseriös“ und forderte zusammen mit den Grünen für Donnerstag eine Regierungserklärung sowie die zeitnahe Vorlage eines Nachtragshaushalts. Außerdem solle die Koalition klare Prioritäten setzen, um einen „sozialen Kahlschlag“ zu verhindern.

Bezirke sollen Rücklagen aufbrauchen

Anders als die Senatsverwaltungen sollen die Bezirke ihre Rücklagen aufbrauchen. Denn seit Freitag ist klar: Viele haben ein Plus erwirtschaftet, nur drei sind ins Minus gerutscht. Spitzenreiter Lichtenberg blickt den kommenden Jahren mit satten 35,9 Millionen Euro Rücklagen entgegen. Bezirksbürgermeister Martin Schaefer (CDU) kündigt der taz gegenüber an, diese abbauen zu wollen: „Wir wollen den Bürgern die erwirtschafteten Gewinne ja auch wieder zurückgeben.“

Foto: infografik

In anderen Bezirken ist der Druck größer. Die Haushaltssperren von Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg dürften dennoch nach und nach aufgehoben werden, Mitte hat seine bereits beendet. Jetzt kann das Sparen also zumindest geplant werden. So soll in Mitte die Gustav-Falke-Grundschule nicht mehr vollständig saniert und am Straßenausbau gespart werden. Für diese Projekte befinde sich die Planung noch in einem sehr frühen Stadium und habe keine hohe Priorität, so Bezirks­amtssprecher Christian Zielke.

In Neukölln kann man noch keine Projekte nennen, die auf der Einsparliste stehen. Man versuche, alle sozialen Einrichtungen zu halten, so Bezirksamtssprecher Christian Berg zur taz. „Wir können unsere 2,4 Millionen Überschuss nun in die Einsparungen geben.“ Der große Sozialabbau ist damit wohl erst mal abgewendet, wenngleich neue Projekte schwer zu realisieren sein dürften.

Der Jahresverlierer Pankow sieht sich durch seine vielen Einwohner benachteiligt. Pro Bezirk werde dieselbe Summe veranschlagt, sagt Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch (Grüne). Das Defizit stamme außerdem aus Bereichen, die der Bezirk nicht steuern könne; etwa die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, deren Kosten die Senatssozialverwaltung vorgebe. Ob und wie der Bezirk jetzt radikal sparen muss, werde noch geprüft.

Steuereinnahmen stagnieren

Dass überhaupt so viel gespart werden muss, liegt auch daran, dass Berlin an die Schuldenbremse gebunden ist. Ausgaben auf Pump sind also nicht drin. Zudem werden die Steuereinnahmen in den kommenden Jahren kaum steigen, das legt zumindest die Steuerschätzung aus 2023 nahe. Angesichts stagnierender Einnahmen und galoppierender Kosten blieb Finanzsenator Evers nur der Aufruf zur Disziplin.

Und so sind die Haushaltsberatungen wegen der bis heute noch unklaren Sparmaßnahmen noch nicht beendet, und sie werden stets begleitet von Aufschreien der Sozialverbände. Vor allem Jugendeinrichtungen, die Pflege von Parks, die Reinigung und die Sicherheitsbewachung der Schulen stehen auf dem Spiel.

Wieso zuallererst im sozialen Bereich gespart wird? Weil die Bezirke dazu verpflichtet sind, bestimmte Leistungen wie die allgemeine Verwaltung zu gewährleisten. Also bleibt nur das zu reduzieren, was freiwillig finanziert wird.

Schuldenbremse steht zur Debatte

Auch wenn die Spardoktrin vorerst abgedämpft wurde, stellt sich die Frage, wie es in den kommenden Jahren aussieht. 2025 werde die Haushaltslage nicht nur in den Bezirken, sondern in ganz Berlin sehr angespannt sein, prognostiziert das Bezirksamt Mitte. Und auch im derzeit noch gut begüterten Lichtenberg warnt Bürgermeister Martin Schaefer: „Die Zeiten der guten Haushaltslage im Land Berlin sind bereits beendet und auch in Lichtenberg sind die üppigen Zeiten vorbei.“ Senat und Abgeordnetenhaus müssten die notwendigen Entscheidungen treffen, wie die Bezirkshaushalte in den kommenden Jahren zu finanzieren sind.

Blickt man auf das wachsende Berlin und die bereits jetzt überlasteten Behörden und Sozialeinrichtungen, stellt sich die Frage, welche langfristigen Folgen die Sparmaßnahmen haben werden. Die Folgen des Sparkurses in den nuller Jahren sind noch heute spürbar. Höchste Zeit, die Schuldenbremse auszusetzen, fordert daher die Linke. Der Senat will sie angesichts der schwächelnden Konjunktur zumindest reformieren.

Berlin wolle „alle Spielräume nutzen, die die Schuldenbremse bietet“, so Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Der Senat sei sich jedoch einig, dass eine Modernisierung der Schuldenbremse der bessere Weg wäre. „Die Verweigerungshaltung von Union und FPD auf Bundesebene ist ein Armutszeugnis und gefährdet die Zukunftsfähigkeit des ganzen Landes.“

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