Die Lieferanten des Hasses

In Dresden begann der Prozess gegen den rechtsextremen Schelm-Verlag. Ohne den Betreiber

Aus Dresden Konrad Litschko

Es sind einschlägige, vielfach indizierte Werke, die im Verlag Der Schelm vertrieben werden – nur teils kaschiert als „historische Dokumentation“. Der Versand läuft seit fast zehn Jahren. Seitdem avancierte der Schelm zu einem zentralen Buchverlag der rechtsextremen Szene. Am Donnerstag sitzen deshalb vor dem Oberlandesgericht Dresden drei Angeklagte, die für den Verlag verantwortlich sein sollen – Matthias B., Enrico B. und seine frühere Lebensgefährtin Annemarie K., einst allesamt für die NPD aktiv.

Im Dezember 2020 hatte die Polizei ein Lager des Verlags in Bad Lausick bei Leipzig durchsucht und 53.617 Bücher beschlagnahmt, die allermeisten mit volksverhetzenden Inhalten und mit einem Verkaufswert von 913.222 Euro. Im Sommer 2022 folgte die Festnahme von Enrico B. und Matthias B., inzwischen ermittelte die Bundesanwaltschaft. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung. 809.749 Euro soll der Verlag mit dem Verkauf von 46.576 rechtsextremen Büchern allein von 2018 bis 2020 verdient haben. Doch seit den Festnahmen geht der Versand munter weiter, weil ein Mann seit Jahren flüchtig ist: der langjährige Rechtsextremist und frühere Leipziger Adrian Preißinger.

Vor dem Oberlandesgericht geht es um seine früheren Mitstreiter. Oberstaatsanwalt Adrian Jung von der Bundesanwaltschaft verliest eine nicht enden wollende Liste der antisemitischen, holocaustleugnenden oder rassistischen Bücher, die im Schelm-Lager gefunden wurden. Kopf sei der flüchtige Preißinger, sagt auch er. Aber auch Matthias B. habe Bestellungen entgegengenommen, Bücher setzen lassen oder die IT betreut. Enrico B. und Annemarie K. hätten Lagerung und Versand übernommen. Damit habe das Trio „Hass gegen Teile der Bevölkerung“ verbreitet.

In dem Prozess machte Matthias B. den Auftakt – und gab bekannt, dass er sich seit Mitte 2022 im Aussteigerprogramm von Exit befindet. Erst habe er einen eigenen Verlag gegründet, Libergraphix. Später mit Preißinger den Schelm. Über die Jahre seien die Bücher „immer krasser“ geworden, vor allem „Mein Kampf“ sei sehr gut gelaufen. Mehrmals sei es ihm „eigentlich zu heiß“ geworden. Aber erst nach der Razzia 2020 habe er sich vom Schelm verabschiedet.

Matthias B. erklärt auch, wo sich Preißinger befindet: in Russland. Seit 2015 oder 2016 lebe er dort und habe eine Russin geheiratet. Kontakt hätten beide über Skype gehalten. Nach eigener Auskunft hat Matthias B. dem LKA Sachsen sogar die genaue Adresse von Preißinger mitgeteilt. Aber Preißinger genieße bis heute „Narrenfreiheit“.

Zu Festnahmen und einem Vertriebsende führte das bisher tatsächlich nicht. Die Bundesanwaltschaft hatte zuletzt erklärt, die kriminelle Vereinigung gelte „als zerschlagen“, man führe deshalb keine weiteren Ermittlungen durch. Zur Fahndung gegen Preißinger wollte sie sich nicht äußern. Das LKA Sachsen beteuert, dass durchaus weiter ermittelt werde. Bisher sei eine Festnahme von Preißinger aber nicht möglich gewesen, so eine Sprecherin. Gleiches gelte für wiederholte Versuche, die Webseite offline zu nehmen, da die Server im Ausland stünden. Nach taz-Informationen soll sich Preißinger in einem Vorort von Moskau befinden.

Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner von der Linken fordert ein Ende des Spuks. Es sei „unverständlich“, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen nicht mehr weiterführe, insbesondere wenn sich Preißinger im Ausland aufhalte, so Renner zur taz.