Hermes gegen „Hermès“: Der Gott der kleinen Händler

Der türkische Buchhändler Ümit Nar legt sich mit dem Pariser Luxus-Konzern Hermès an. Beide verwenden für ihr Geschäft denselben Namen.

Ümit Nar

Links und sozial engagiert: Buchhändler Ümit Nar im eigenen Laden Foto: privat

ISTANBUL taz | Er ist leidenschaftlicher Buchhändler. Ümit Nars Kunden bewundern sein ausgesuchtes Angebot antiquarischer Bücher, loben seine gute Beratung und seine Findigkeit, auch seltene alte Bücher aufzutreiben. In seinem gemütlich eingerichteten Antiquariat im Izmirer Bezirk Konak, unweit der Promenade am Meer, kommt viel Laufkundschaft, auch um nur ein wenig zu plaudern.

Sein Laden „Sahaf Hermes“ ist in der Stadt bekannt und Ümit Nar selbst, als Vorsitzender des Verbandes türkischer Secondhand-Buchhändler, ebenfalls.

Ihm liegt viel an der Arbeit im Verband, als Vorsitzender fühlt er sich verantwortlich für die Sahaflar–Vereinigung und ihren Mitgliedern. Letztes Jahr haben sie eine große Kampagne zur Unterstützung der Sahafs, also der Antiquariate und Secondhand-Buchhändler in den Erdbebengebieten im Südosten des Landes gemacht. „Viele von deren Läden sind ja völlig zerstört“, sagt Ümit Nar.

Der 51 Jahre alte Nar hat mit Freunden das Antiquariat-Festival organisiert, wo die Händler aus den Erdbebengebieten sich präsentieren konnten. Eines seiner Ziele als Antiquar ist es, alte osmanische Bücher, Zeitschriften und Dokumente zu retten, indem er sie digitalisiert.

Seit Monaten ist er mit einem anderen Problem konfrontiert. Er kämpft um den Namen seines Buchladens. Hermes, der Götterbote aus der griechischen Mythologie, auch Gott der kleinen Händler, schien ihm schon vor 15 Jahren eine gute Idee als Name für seinen Buchladen. Erst recht, als er 2020 sein Geschäft von Istanbul nach Izmir verlegte, der alten, ursprünglich griechischen Stadt Izmir/Ephesus.

Eine „Anmaßung“

„Hermes, Zeus, Poseidon, die gehören doch alle als uralte Traditionsgüter zu unserer Stadt“, sagt Nar, „wie kann sich da ein internationaler Konzern anmaßen, den Namen Hermes für sich monopolisieren zu wollen?“. Im Kampf um Hermes hat er sich mit dem französischen Großkonzern Hermes Paris angelegt, einem Konzern für Luxuswaren mit einem Mil­liar­den­um­satz.

„Das Problem begann, als ich 2021 auf die Idee kam, meinen Buchladen „Sahaf Hermes“ beim Patentamt als Marke registrieren zu lassen, erzählt Nar am Telefon. „Kurz darauf erhielt ich einen Anruf eines Anwalts der Deris Patent und Markenagentur, einer großen Kanzlei in Istanbul.

Er drohte und sagte, im Namen des französischen Hermes-Konzern habe seine Kanzlei Einspruch beim Patentamt erhoben. Der Name Hermes sei weltweit für den französischen Großkonzern vergeben. Ich solle meinen Antrag zurückziehen und mir die Kosten für eine rechtliche Auseinandersetzung sparen, ich würde sowieso verlieren.“

Nar ist empört. „Mein Laden heißt seit 15 Jahren Sahaf Hermes, warum soll ich meinen Laden umbenennen? Viele Kunden, vor allem im Online-Verkauf, kennen Sahaf Hermes, aber nicht meinen persönlichen Namen.“ Rein geschäftlich wäre eine Namensänderung sehr schwierig.

Als Begründung, warum er seinen Laden nicht Hermes nennen darf, macht der Luxuswarenkonzern geltend, es bestehe die Gefahr, dass sein Markenname Hermes beschädigt werden könnte. Kunden könnten die Läden verwechseln. Oder Hermes Paris könnte vielleicht zukünftig in seinen Läden auch mal Bücher verkaufen. Nar würde den Namen Hermes missbrauchen.

Der Antiquar denkt nicht daran, aufzugeben. Er legte Widerspruch beim Patentamt ein. Er sagt, eine Verwechselung zwischen einem Konzern, der Lederhandtaschen für viele tausend Euro pro Stück verkauft, während er Bücher für ein paar Cent anbietet, sei doch völlig ausgeschlossen ist. „Noch nie“, sagt er, „hat jemand meinen Laden mit dem französischen Hermes verwechselt.“ Der Konzern habe in Izmir gar keinen Store, sondern nur in Istanbul.

„David gegen Goliath“

Nar hat sich mittlerweile näher mit dem Geschäftsgebaren der Franzosen beschäftigt. „Weltweit führt der Luxuswarenkonzern Prozesse, um zu verhindern, dass ein anderes Geschäft Hermes im Namen führt. Einige Prozesse haben sie aber auch verloren, es ist nicht so, dass sie sich immer durchsetzen“, erzählt er.

In der türkischen Öffentlichkeit sind einige Medien mittlerweile auf die Auseinandersetzung aufmerksam geworden. „David gegen Goliath“, titelte die Tageszeitung Hürriyet. Nar freut sich, weil er tatsächlich den Kampf gegen internationale Großkonzerne für eine politische Verpflichtung hält.

Als linker Buchhändler hat er Toni Negris letztes monumentales Werk „Empire“ studiert, in dem Negri darlegt, wie sich internationale Konzerne jedes kulturelle, soziale und natürliche Element der Erde als ihr Eigentum einzuverleiben versuchen. „Dagegen müssen wir Widerstand leisten“, sagt Ümit Nar.

„Ein internationaler Großkonzern darf einen Namen aus der griechischen Mythologie, ein Kulturgut gerade für uns an der Ägäisküste, nicht für sich monopolisieren.“ Eigentlich müsste das griechische Kulturministerium gegen Hermes Paris klagen, findet er. Eine Anfrage der taz ließ der Konzern unbeantwortet.

Nach zwei Jahren Auseinandersetzung vor dem Patentamt hat dieses schließlich dem Einspruch von Hermes teilweise recht gegeben und eine Verwechselungsmöglichkeit als gegeben angesehen. Nar muss demnach seinen Buchladen nun umbenennen und darf unter dem Namen keinen Online-Handel mehr betreiben.

Doch der Antiquar gibt sich nicht geschlagen und wehrt sich gegen die Entscheidung. Er hat Klage vor einem Gericht in Ankara wegen Urheberrechtsverletzung durch den Hermes-Konzern eingereicht. Das Gericht hat die Klage akzeptiert, eine erste Verhandlung fand Anfang Februar statt. Das Gericht hat einen Gutachter ernannt. Am 27. März ist der nächste Prozesstag.

Vor wenigen Tagen, am 9. Februar, hat Hermes Paris seinen Geschäftsbericht für 2023 vorgelegt. Hermes, so Geschäftsführer Axel Dumas, habe 2023 eine außerordentliche Performance vorlegen können. Bei einem Umsatz von 13,4 Milliarden Euro weltweit wurde ein Profit von 4,3 Milliarden Euro erzielt.

Das Ergebnis sei so gut, dass die Geschäftsführung jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter weltweit einen Bonus von 4.000 Euro auszahlen will. Die Dividende für die AktionärInnen wird natürlich auch erhöht.

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