Ärztliche Bereitschaftsdienste: Sprechstunde nur noch bis 23 Uhr

Ab dem 1. Januar 2024 gibt es in Bremen nachts keine Bereitschaftspraxis mehr. Auch in anderen Ländern drohen Einschränkungen für Pa­ti­en­t:in­nen.

Eine Hand hält Stethoskop und Arzttasche

Werden, wenn nötig, weiter losgeschickt: Ärz­t:in­nen in Fahrbereitschaft Foto: Oliver Berg / dpa

BREMEN taz | Ab dem 1. Januar kann man in Bremen nach 23 Uhr keinen ärztlichen Bereitschaftsdienst mehr aufsuchen. Wer nachts Beschwerden hat, die nach eigenem Empfinden kein Notfall für die Klinik sind, aber auch keinen Aufschub bis zum Arztbesuch am Morgen dulden, kann nur noch mit einem Arzt oder einer Ärztin telefonieren, der oder die entscheidet, ob eine Kol­le­g:in in Fahrbereitschaft raus fährt. Das teilte vergangene Woche die kassenärztliche Vereinigung Bremen mit.

Der Hintergrund seien fehlende Fachkräfte, vor allem medizinische Fachangestellte. Nachteile für Pa­ti­en­t:in­nen seien nicht zu erwarten, sagte Christoph Fox, Sprecher der kassenärztlichen Vereinigung am Dienstag der taz. „Nachts kamen ohnehin immer nur sehr wenig Menschen.“

Das sagt auch sein Kollege Detlef Haffke, Sprecher der kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen. „Zwischen ein und sechs Uhr ist so gut wie nichts los.“ In Niedersachsen seien die Dienste in den 19 Bereitschaftspraxen unterschiedlich organisiert, so Haffke. Unter der Woche ende der Dienst dort spätestens um 23 Uhr. Stark frequentiert seien sie am Wochenende und Mittwochs, wenn die meisten niedergelassenen Ärz­t:in­nen nur vormittags geöffnet haben.

Haffke bezeichnet nächtliche Bereitschaftspraxen als „reine Serviceleistung“. Zudem gebe es in fast keinem anderen europäischen Land ein solches Konstrukt. „Da gehen Sie tagsüber zum Arzt und nachts in die Klinik.“

Gericht bemängelte Scheinselbstständigkeit

Aufgrund eines Ende Oktober erfolgten Urteils des Bundessozialgerichts könnten die Bereitschaftsdienste der Kas­sen­ärz­t:in­nen bundesweit noch weiter eingeschränkt werden. Im Fall eines Zahnarztes aus Baden-Württemberg hatte es entschieden, dass auch für so genannte „Pool-Ärzt:innen“ Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen. Dabei handelt es sich um Ärz­t:in­nen ohne Kassensitz, denen die kassenärztlichen Vereinigungen Honorare für Bereitschaftsdienste in Rand- oder Nachtstunden zahlen.

Interessant ist dies für Me­di­zi­ne­r:in­nen im Ruhestand, Kran­ken­haus­ärz­t:in­nen oder Ärzt:innen, die etwa aus familiären Gründen nicht regulär arbeiten. Im Fall des gegen die Deutsche Rentenversicherung klagenden Zahnarztes aus Baden-Württemberg hatte das Bundessozialgericht geurteilt, es handle sich um eine Scheinselbständigkeit, die kassenärztliche Vereinigung müsse ihn wie einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten behandeln.

Ob sich das Urteil auf andere Konstellationen in anderen Regionen übertragen lässt, ist noch unklar und hängt von der schriftlichen Begründung ab, die Ende Januar erwartet wird. Die kassenärztlichen Vereinigungen (KV) in Norddeutschland sind unterschiedlich damit umgegangen. Eine Sprecherin der KV Hamburg sagte, man warte die schriftliche Begründung ab. In Schleswig-Holstein hatte die KV die Verträge mit 400 Pool-Ärzt:innen zum Januar gekündigt. Diesen Schritt ist auch die KV Bremen gegangen. Betroffen sind hier 69 Pool-Ärzt:innen, die nach Angaben der Bremer KV 25 bis 40 Prozent der Bereitschaftsdienste übernommen haben – neben den Kassenärzt:innen.

Kinderärzte sind am Limit

Die Spanne kommt dadurch zustande, dass es im Land Bremen sechs Standorte gibt. Drei davon sind kinderärztliche Notdienste, die auch in der Vergangenheit nur bis 23 Uhr geöffnet hatten. Der Anteil der Pool-Ärzt:innen sei hier vergleichsweise gering, sagt der Sprecher des Bremer Landesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Marco Heuerding.

Dennoch seien er und seine 66 Kol­le­g:in­nen dringend darauf angewiesen, dass diese weiter Dienste übernehmen können. Drei bis fünf fielen im Quartal pro Arzt oder Ärztin an – neben der Arbeit in der Praxis. „Wenn ich von 8 bis 19 Uhr behandelt habe, dann bin ich froh, wenn ich danach nicht noch Notdienst habe und den an einen Kollegen oder Kollegin aus dem Pool abgeben konnte“, so Heuerding. Es sei so schon schwer genug, allen Pa­ti­en­t:in­nen gerecht zu werden. In Infektzeiten wie der aktuellen sehe er rund 80 Kinder am Tag.

Einen eigenen Weg ist die KV Niedersachsen gegangen. Sie hatte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts 160 Me­di­zi­ne­r:in­nen aus den Bereitschaftsdiensten genommen, was für rund zwei Wochen für Engpässe sorgte – nach Angaben des KV-Sprechers Detlef Haffke allerdings nur in den Großstädten Hannover, Braunschweig und Göttingen, wo diese überwiegend eingesetzt wurden. Um für Rechtssicherheit zu sorgen, hatte die KV bei der Deutschen Rentenversicherung ein Statusfeststellungsverfahren für die betroffenen Ärz­t:in­nen angestrengt und diese Mitte November wieder eingesetzt.

„Für uns ist klar, dass es sich nicht um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis handelt“, sagte Haffke. Der Gesetzgeber müsse die Pool-Ärzt:innen Ärz­t:in­nen im Rettungsdienst gleichstellen, für die keine Sozialabgaben fällig werden.

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