orte des wissens
: Der Forschungdroht die letzte Ölung

Das Heinrich-Theissing-Institut erkundet die DDR-Kirchengeschichte des Bistums Hamburg. Das ist aber nur wenig interessant

Verblüffend. Das Heinrich-Theissing-Institut (HTI) in Schwerin sei „vorübergehend geschlossen“, heißt es auf dessen Website: Ist das die Art, wie Katholiken Jubiläen begehen? Immerhin wurde das nach dem einstigen Bischof von Mecklenburg Heinrich Theissing (1917–1988) benannte Zentrum für Kirchengeschichte am 9. August 1993 gegründet, vor 30 Jahren. Das Gespräch mit Hamburgs Diözesanarchivar Martin Colberg erhellt die Lage. Er leitet das HTI kommissarisch seit Anfang 2023. Die katholische Kirche Mecklenburgs gehört zum Erzbistum Hamburg, das erst 1995 infolge der deutschen Wiedervereinigung entstand.

Heinrich Theissing, zunächst in Glogau, Görlitz und Ost-Berlin tätig, kam 1970 nach Schwerin. Auch dort war sein Wirken bestimmt von der deutschen Teilung. Zielstrebig, geschickt und zugewandt, stellte er sich der doppelten Herausforderung – der Seelsorge in der Dias­pora und der Selbstbehauptung der katholischen Gemeinden unter einem kirchenfeindlichen Regime. Colberg würdigt den Namenspa­tron: „Theissing hat von 1970 bis zu seinem Tod 1988 die katholische Kirche in Mecklenburg zusammen gehalten.“ Er trotzte dem DDR-Regime religiöse Freiräume ab. Passenderweise war das Thema „Kirche unter Diktaturen“ Colberg zufolge „ein eminentes Forschungsprojekt des HTI“. Der letzte der drei umfangreichen Chronikbände, erarbeitet von Georg Diederich, erschien 2018. Er behandelt die Jahre 1961 bis 1990 und dokumentiert, wie sehr der Staat von „der politisch-reaktionären Haltung der katholischen Kirche und ihrer ideologischen Aggressivität“ ausging und religiöses Leben erschwerte.

Dagegen hatte Theissing da­rauf beharrt, dass auch die in der sozialistischen Gesellschaft marginalisierten christlichen Gemeinden „als Minderheit den Anspruch und das Recht auf mitbürgerliche und staatliche Toleranz“ hätten. Diederich, Leiter des HTI von 1996 bis 2015, erinnert sich an zahlreiche Begegnungen: „Seine oft aufrüttelnden Predigten und seine Nähe zu den Menschen haben uns damals begeistert.“ Auch erinnert er daran, dass die Zahl der Katholiken in Mecklenburg nach Ende des Zweiten Weltkriegs durch Flucht und Vertreibung von knapp 50.000 auf über 200.000 angestiegen war.

Schwerin hat zwei katholische Archive: Das Pfarrarchiv von St. Anna, der Hauptgemeinde im Land, mit 3.000 Bänden theologischer Literatur und zahlreichen Kunstschätzen sowie das Archiv des bischöflichen Amtes, eben das HTI. Dort werden in Doppelüberlieferung die Pfarrakten und die Amtsakten der bischöflichen Kommissariate verwahrt, die Kirchenvorstandsprotokolle, Unterlagen zur Liturgie ebenso wie Grundstücks- und Vermögensverzeichnisse – bis zur Gründung des Erzbistums Hamburg 1995.

Colberg unterstützt Pläne, die historisch wertvolle Arbeit in Mecklenburg fortzusetzen und die Diaspora mit ihren 52.524 katholischen Christen nicht weiter zu marginalisieren. Das Schweriner Archiv solle in Zukunft nicht nur für Mecklenburg, sondern für das gesamte Erzbistum Hamburg tätig sein.

Heinrich Theissing trotzte dem DDR-Regime religiöse Freiräume ab

Wie aber passt das zum aktuellen Pausieren des Instituts? Abwicklung oder Auferstehung, das scheinen die Alternativen. Das Erzbistum hat das Edith-Stein-Haus in Parchim 2021 geschlossen, die Jugendbildungsstätte Bischof-Theissing-Haus in Teterow macht Ende 2023 dicht. Noch immer sind die Direktoren- und die Archivars-Stelle am HTI in Schwerin nicht besetzt. Es werde durch Ehrenamtliche am Laufen gehalten und durch interessierte For­sche­r:in­nen unterstützt, sagt Diederich. „Wir wollen das Heinrich-Theissing-Institut nach Möglichkeit erhalten und haben um Klärung gebeten“, wird Colberg deutlicher. „Doch wir müssen ertragen, dass die Bistumsleitung noch nicht entschieden hat.“ Frauke Hamann