Ewige Jugend

Tadej Pogačar holt sich gleich zum Auftakt der Tour de France das weiße Trikot des besten Nachwuchsfahrers. Das will er möglichst lange tragen, um nicht zu früh mit Gelb ins Getümmel zu geraten

Aus Bilbao Tom Mustroph

Tadej Pogačar ist ein Wäschesparer. Die Tour de France ist erst einen Tag alt, und schon wieder muss er seine vom Rennstall gestellte Arbeitskleidung im Koffer lassen. „Ich weiß auch nicht, zum wievielten Male Tadej das weiße Trikot der Tour de France trägt. Gewöhnlich dauert es drei oder vier Tage, nun hat er es schon jetzt“, sagte Mauro Gianetti, Rennstallchef von UAE Emirates, zur taz. Da täuscht den Italo-Schweizer die Erinnerung. Nur 2020, zum Tourdebüt von Pogačar, dauerte es bis zur 4. Etappe, bis Pogačar erstmals als weißer Ritter über Frankreichs Straßen fuhr. Alle anderen Jahre war er ab Tag 1 in Weiß.

Das bringt natürlich auch Probleme mit sich. „Für den Sponsor ist es etwas schade“, sagte Gia­netti. Denn die dicken Lettern UAE stechen nun ausgerechnet beim Top-Fahrer etwas weniger ins Auge. Und auch das hübsche Trikot in den Landesfarben, das Pogačar sich vor einer Woche als slowenischer Meister geholt hat und auf das er sichtlich stolz ist, bleibt nun unbenutzt in der Wäschekammer.

Dass Pogačar es bei dieser Tour wieder herausholen muss, kann nur passieren, wenn es ein anderer Fahrer der Nachwuchswertung mal in eine Fluchtgruppe schafft, die lange genug vor dem Hauptfeld das Ziel erreicht. Klassische Klassementfahrer in der Jugendwertung wie den Dänen Mattias Skjelmose dürfte Pogačar aber nicht ziehen lassen.

Dass der zweifache Tour-de-France-Sieger mit seinen süßen 24 Jahren noch immer für die Jugendkategorie startberechtigt ist, zeigt, wie überragend sein Talent ist. Ebenbürtig scheint ihm derzeit nur Jonas Vinge­gaard. Der Däne, Toursieger im letzten Jahr, weil er eine kleine Schwächephase des Slowenen konsequent ausnutzte, konnte als Einziger mehr oder weniger souverän eine Beschleunigung Pogačars auf den steilen Rampen des Baskenlands während der ersten Etappe parieren. Die beiden, noch begleitet vom tapferen Franzosen Victor Lafay, blickten sich dann kurz in die Augen und entschieden schließlich, nicht jetzt schon in die Kraftreserven zu gehen, sondern ein paar andere Fahrer wieder herankommen zu lassen.

Ganz in Weiß: Tadej Pogačar Foto: reuters

Im Feld der etwa zwei Dutzend Fahrer zündete das UAE-Team dann wieder ein paar Raketenstufen. Das führte dazu, dass Pogačars stärkster Berghelfer Adam Yates plötzlich vorn war. Der fand Begleitung durch seinen Zwillingsbruder Simon, der dann Tempo machte. Adam, der Bruder, der für Pogačar fährt, hängte sich erst dran. Am Ende ließ er seinen von Krämpfen geplagten Zwilling gnadenlos stehen.

„Für uns ist das perfekt“, strahlte Pogačar und umarmte Helfer Yates im Ziel. Er hatte ihm auf den letzten Kilometern die Freigabe zur Mitarbeit mit dem Zwilling gegeben. Wie lange ­Yates in Gelb bleibt, ist freilich fraglich. Bruder Simon würde es sich gerne überstreifen. UAE muss kalkulieren, wie viel Kraft es in die frühe Verteidigung steckt. Ganz kampflos werden sie es nicht hergeben, versprach Gianetti der taz: „Wir wollen den Fahrer ehren und ihn unterstützen. Und wir wollen auch das Trikot ehren.“ Dass Pogačar es schnell überstreift, ist aber nicht geplant. „Das Idealszenario wäre, es wie 2020 zu machen und es erst am vorletzten Tag zu holen. Das würde den Druck reduzieren“, überlegte Pogačar noch vor dem Start in Bilbao. Weil er kurz vor dem Zielstrich mal wieder beschleunigte und niemand mitkam, und er sich damit noch ein paar Bonussekunden holte, hat er sich allerdings auch wieder in die Druckzone gefahren. Nur der eigene Helfer sowie dessen für das aus­tralisch-saudische Team Jayco AlUla fahrende Zwillingsbruder stehen noch zwischen Pogačar und Gelb. Um Weiß zu verteidigen und Gelb zu vermeiden, muss sich Pogacar jetzt einiges einfallen lassen.