orte des wissens
: Dem Infekt auf der Spur

In Hannover wurde der Grundstein für das „Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin“ gelegt

Ziel sind präzise Prognosen und maßgeschneiderte Therapien für die betroffenen Patienten

Günstiger kann ein Zeitpunkt wohl nicht sein: Schon seit 2015 gibt es das CIIM (Centre for Individualised Infection Medicine, Zentrum für Individualisierte Infektionsmedizin) – zunächst aber nur virtuell, als Forschungsverbund zwischen dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Jetzt wurde der Grundstein für einen neuen Forschungsbau in Hannover gelegt.

Nicht zuletzt die Coronapandemie hat dem Projekt noch einmal einen ganz neuen Drive gegeben. Und SARS-CoV-2 ist nicht das einzige brandaktuelle Virus, an dem hier geforscht wird. Es gibt auch ein Forschungsprojekt zum RS-Virus, das die Kinderkliniken gerade unter Druck setzt.

Warum sind manche Menschen anfälliger für Infektionen als andere? Welche Risikofaktoren sorgen für einen schweren Verlauf? Warum sprechen Patienten unterschiedlich gut auf Medikamente an? All dies sind Fragen, mit denen sich die individualisierte Infektionsmedizin befasst. Ziel ist es, am Ende präzise Prognosen und Präventionsmaßnahmen entwickeln zu können und maßgeschneiderte Therapien für die betroffenen Patienten.

Dazu müssen sehr viel tiefere Analysen vorgenommen werden als im Klinikalltag sonst üblich und gigantische Datenmengen auf der Suche nach Biomarkern durchforstet werden. Nur so lässt sich das komplexe Wechselspiel zwischen der genetischen und zellularen Ausstattung des Patienten, den spezifischen Eigenheiten eines bestimmten Erregers und den Medikamenten und Therapien verstehen.

Der 25 Millionen Euro teure Neubau auf dem MHH-Gelände wird dann nicht nur Mediziner, sondern auch Bioinformatiker und Datenanalysten beherbergen. Die Baukosten werden vom Bund, dem Land Niedersachsen, der Helmholtz-Gemeinschaft und dem HZI getragen.

Herzstück werden also Labore und Büroflächen mit der neuesten Technik sein – in den Projektvorstellungen ist die Rede von einem robotikgestützten, zentralen Pipetierlabor, von der Datenaufbereitung mit Hilfe lernender Modelle (künstliche Intelligenz), aber auch einer Einheit zur technologischen (Mit-)Entwicklung und Erprobung innovativer Messgeräte (z. B. Wearables, Point-of-care Diagnostics). 150 Leute sollen hier einmal arbeiten. Das Institut knüpft damit an die Arbeit des „Twincore“, des Zentrums für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, in unmittelbarer Nachbarschaft an. Das ist ebenfalls eine gemeinsame Einrichtung der MHH und des HZI.

Gleichzeitig gibt es eine enge Anbindung an die klinische Praxis und die dort drängenden Fragen. Das zeigt sich auch in den verantwortlichen Personen. Gründungsdirektor und Vater des CIIM ist Michael P. Manns – aktuell Präsident der MHH und Experte für infektiöse Lebererkrankungen wie Hepatitis. Mit seinem Aufrücken an die Spitze der MHH hat er den Staffelstab an eine Doppelspitze übergeben. Aktuell stehen dem Institut die Bioinformatikerin Yang Li und der Universitätsprofessor und leitende Oberarzt Markus Cornberg vor.

Patienten der MHH müsse aber keine Sorge haben, unversehens zum Studienobjekt zu werden. Natürlich müssen die Patienten immer zustimmen – allein aus Gründen des Datenschutzes, sagt Cornberg. Das CIIM wird keine eigenen Klinikbetten vorhalten, soll aber eine eigene kleine Ambulanz erhalten. Damit Patienten auch nach der Entlassung aus der Klinik weiter begleitet und beobachtet werden können.

Das biete auch die Möglichkeit, eine Art klinischen Beratungsservice aufzubauen, sagt Cornberg. Wenn eine Klinik bei einem Patienten nicht weiterkomme, weil er auf keine Therapie anspricht – oder beim genauen Gegenteil, einer außergewöhnlich guten Heilung –, könne das CIIM den Patienten weiter begleiten und auf verschiedene Marker testen. Vielleicht finde man so heraus, so Cornberg, warum dieser Patient eine besondere Stellung hat. Nadine Conti