Sichtbar und hörbar bleiben

Das Humboldt Forum plant für 2020 eine Ausstellung mit und über die indigene Nation der Omaha aus Nordamerika. Vorab erzählen heute in der Berliner Bauakademie bei Filmscreenings und in Gesprächsrunden Omaha von ihrer Kultur

Dass er die kulturellen Nachlässe seiner Vorfahren ansehen kann, erfülle ihn

Von Linda Gerner

Eine Pfeife aus Holz, hübsch anzusehen und aus einem vergangenen Jahrhundert. In einer Ausstellung kann man leicht an solchen Gegenständen vorbeischlendern, ohne ihre Bedeutung wirklich zu verstehen. Wie anders ist die Wirkung eines solchen Gegenstands, wenn dieser einen Teil der eigenen kulturellen Identität repräsentiert. Einer traditionellen Lebensweise, die von Assimilationspolitik bedroht wurde und wird. Das Ausstellungsvorhaben des Humboldt Forums in enger Zusammenarbeit mit Angehörigen der indigenen Nation der Omaha lässt an diesem emotionalen Prozess teilhaben.

Denn an den Objekten haften Geschichten: Pierre Merrick erzählt mit einem Lächeln von dem besonderen Moment, diese „heilige Pfeife“ zu sehen. Sie habe es seinen Vorfahren ermöglicht, spirituelle Zeremonien durchzuführen und einen Tanz, um andere Nationen zu begrüßen. Der 59-Jährige ist zum zweiten Mal zu Besuch in Berlin. Dass ihn die Kuratoren des Humboldt Forums kontaktieren, war kein Zufall. Merrick ist der Enkelsohn des indigenen Ethonologen Francis La Flesche. Sein Großvater sammelte von 1894 bis 1898 im Auftrag des damaligen Berliner Museums für Völkerkunde 60 Objekte aus seiner Kultur der Omaha. Merrick selbst wusste lange nicht, dass diese Sammlung noch existiert, er kannte sie nur von Büchern und Fotos. Bis sie zum Ausgangspunkt für die kommende Wechselausstellung in Berlin wurden. Die Angehörigen der Omaha konzipieren diese aktiv mit, denn das Humboldt Forum wolle kein Narrativ bestimmen, vielmehr solle ein gemeinsames Konzept entwickelt werden, erklärt Generalintendant Hartmut Dorgerloh.

Bei einem Gespräch über diesen Prozess im Museum Dahlem in Berlin erzählt Pierre Merrick, dass er daran glaubt, dass sein Großvater ahnte, dass sich seine Nachfahren irgendwann mal auf den Weg machen würden, um diese kulturellen Erinnerungsstücke anzusehen: „Ich glaube, er hat damals die unsichere Zukunft von uns gesehen. Und es ist genauso gekommen: Heute sprechen wir alle Englisch, wir gehen in Fastfood-Restaurants. Wir haben uns so verändert.“ Dass ihn diese Vergangenheitsreise jetzt nach Berlin führe, er die kulturellen Nachlässe seiner Vorfahren ansehen kann, erfülle ihn. Er wünsche sich, dass auch seine Enkelkinder mal diese Reise machen, sich dann die Dokumentation ansehen, die über diese Zusammenarbeit von Nebraska und Berlin gerade entsteht. In Nebraska unterrichtet Merrick an einer Grundschule Umónhon, die Sprache der Omaha, und gibt spirituelle Zeremonien in Schwitzhütten. Dass er seine Kultur inzwischen aktiv weitergeben kann, gebe ihm ein Gleichgewicht, dass er vorher nicht gespürt habe, sagt Merrick.

Mit ihm in Berlin sind auch Wynema Morris, Dozentin für Stammesgeschichte und -kultur am Nebraska Indian Community College, und Glenna Slater, eine der wenigen Menschen der zirka 7.000 Omaha weltweit, die noch fließend Umónhon spricht. Wynema Morris ist insbesondere froh, dass „nicht wieder ein weißer Mann ihre Geschichte erzählt“, sondern sie selbst beteiligt sind. Alle drei berichten in Berlin, wie sehr sie die Auseinandersetzung mit den Repressionen ihrer Kultur bewegen, wie dankbar sie für die Möglichkeit sind, die Ausstellungsstücke selbst sehen zu können.

In der Langen Nacht der Ideen, initiiert vom Auswärtigen Amt, wollen die Omaha in Gesprächsrunden insbesondere über den Verlust ihrer Sprache sprechen und welche Anstrengungen es koste, diesem entgegenzutreten: „Wir bemühen uns sehr, unsere Sprache zu bewahren. Wir haben zwei Schulen in unserem Reservat, wo sie unterrichtet wird, und wir wünschen uns, dass sie nicht nur gekannt, sondern auch benutzt wird“, sagt Merrick. Die Sprache präge ihre Identität, in ihr können sie Rituale pflegen. In ihr könnten sie als Omaha sagen, und das ist auch die zentrale Botschaft der kommenden Ausstellung: „Wir sind immer noch hier.“

„We are still here: The Omaha speaking“, Lange Nacht der Ideen. Heute: 6. Juni, ab 18 Uhr, Berliner Bauakademie Schinkelplatz, 10117 Berlin, Eintritt frei, Veranstaltung in englischer Sprache