Jasmin Ramadan
Einfach gesagt
: Einer, der immer was zum Schnackseln findet

Foto: Roberta Sant'anna

Was ist denn nun eigentlich das dritte Geschlecht?“

Drei bayrische Touristen um die siebzig standen morgens mit Fischbrötchen und Bier an den Landungsbrücken.

„Vielleicht fragen wir mal auf St. Pauli, da müssen sie es doch wissen, die kennen sich da mit allem aus!“

„Das kann man doch auch im Internet nachschlagen, Beppo.“

„Das hab ich ja versucht, Udo, aber ich bin daraus nicht schlauer geworden, nur eher weniger schlau – ich bin da auf ein Wort gestoßen, das heißt ,pansexuell‘.“

„Wie der Peter Pan?“

„Vielleicht isses ein neues Wort für Päderasten wegen hier dem Michael Jackson – der war doch auch so ein Peter Paner, deshalb hieß dem sein großes Gelände in Amerika ja auch „Neverland“, wie vom Peter Pan die Insel Nimmerland.“

„Nein, Anton, wart mal, ich schau da jetzt mal in mein Handy, hier steht der Pansexuelle an sich legt sich auf nichts fest.“

„Na, dann isses doch ein Bisexueller.“

„Eben nicht, der legt sich insofern auf gar nichts fest, der verliebt sich einfach in den Menschen an sich. Alt, jung, hässlich, schön, dick oder dünn oder fett, Männlein, Weiblein, auch drittes Geschlecht. Der trifft im Kopf keine Vorauswahl.“

„Einer, der den Hals nicht voll kriegt, wenn du mich fragst!“

„Einer, der immer was zum Schnackseln findet, schlau, der Pansexuelle!“

„Aber, was ist denn nun das dritte Geschlecht? Habens dann Busen, ’nen Pipimann und noch was dazu oder ist es was ganz was Neues? Mit einem Z-Chromosom vielleicht?“

„Ich denk, eher von allem etwas, auch im Hinblick auf den hormonellen Sachverhalt.“

„Toll, die können dann ja mit sich selbst intim sein und müssen nicht quatschen und schmusen.“

„Ja, Beppo, recht hast du, darum beneid ich ja die Schwulis immer, dass die den Alarm mit den Weibern nicht haben. Aber ich könnt nicht schwul sein, ich find ja nicht mal mein eigenes Gehänge da unten schön.“

„Die Monika redet jetzt neuzeitlich auch immer rum von der Gerechtigkeit der Geschlechter! Neulich hab ich der gesagt, da müsst jetzt zum Frühling hin mal einer die Fenster putzen, da sagt sie doch glatt zu mir: das wär ja super, dass ich das mache, da eine nämlich jetzt einen Kaffee am Markt trinken geht. Da hab ich erst gar nicht kapiert, was die meint. Den Weibern tut das Internet nicht gut.“

„Ja, die Vera hat neulich auch aus dem Internet zitiert: Die Sprache strukturiere die Denke oder so ein Schmarrn. Als hätt die plötzlich studiert.“

„Dies ganze Getöse da von wegen die Weiber müssen in der Sprache mehr mit drin sein, das raubt mir noch den letzten Nerv.“

„Wenn die mich mal fragen würden, die vom Amt für Deutsche Sprache, dann würd ich denen mal einen ganz gescheiten Vorschlag unterbreiten: Sollen sie „der“ und „die“ doch abschaffen und nur noch „das“ vor jedes Hauptwort schreiben. Dann sind alle glücklich.“

„Du meinst: das Polizist, das Mann?“

„Genau so: das Hund, das Katze, das Bundeskanzlerin!“

„Super Idee, Anton, du bist ein Genie!“

„Dann bräuchte auch keiner ein drittes Geschlecht, dann hätten wir ein nulltes und alle Welt wär mit sich im Reinen. Basta!“

Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta-Verlag erschienen. In der taz verdichtet sie tatsächlich Erlebtes literarisch.