Berlin im Rausch
Berlin ist Austragungsort des „World Class“-Finales. Dazu lud der weltgrößte Spirituosenhersteller Diageo die internationalen Barszene zum Schaulauf ein. Sie musste sich dann in Redefertigkeit, Tempo, Geschick und kreativem Umgang mit Hochprozentigem beweisen
von Natalie Mayroth
Die Halle ist in Blaulicht getaucht. Weiße Streifenkonfetti platzen in die Menge. Wie Schneeflocken gleiten sie sanft zu Boden. Sie kündigen am Montagabend den Gewinner des Finales an, Orlando Marzo. Barfrauen- und -männer aus 56 Ländern präsentierten ihre Eigenkreationen. Die vier besten wurden bis zum letzten Tag im ehemaligen Technoclub E-Werk auf Gastgeberqualitäten, Redefertigkeit, Tempo, Geschick und kreativen Umgang mit Hochprozentigem hin getestet.
Weder für den Publikumsliebling aus der Türkei, Gökhan Kuşoğlu, noch für die wortgewandte Amerikanerin Laura Newman reichte es, das neue Gesicht von World Class zu werden und fortan im Namen des weltgrößten Spirituosenhersteller Diageo zu reisen. Der italienischstämmige Marzo bestach die Jury mit seinem Rum-Aperitif. Womit er auf zwei weibliche Barkeeperinnen des Jahres, Kaitlyn Stewart und Jennifer Le Nechet, folgte.
Nach Angaben des britischen Unternehmens nahmen allein in diesem Jahr 10.000 BarkeeperInnen aus fünf Kontinenten an den lokalen Wettbewerben teil, bei denen ausschließlich Spirituosen aus dem eigenen Portfolio verarbeitet wurden. Zum Sortiment gehören die angesagten Marken Tanqueray-Gin und Ketel One Vodka, aber auch Johnnie Walker, Smirnoff, Baileys oder der in den letzten Tagen in Berlins Straßen stark beworbene Bulleit Bourbon.
Diageo profitiert vom stetigen Wachstum in Europa und Asien. Weshalb auch das Marketingbudget keine Wünsche offen lässt. Ein Jahr hat das Deutschlandteam um Alexander Bandt für die Vorbereitung gebraucht. „Wir sind in Europa weit entwickelt, was die Barkultur angeht. Berlin ist ein Hotspot der Trinkkultur und bietet sich daher für Markenaufbau an.“ Dies soll jedoch nicht die einzige Botschaft sein, die von Berlin ausgeht, erklärt Paul, Barmanager aus Brisbane. „Es geht um das Erlebnis, Menschen sollen in die Barkultur eintauchen können.“
Der glückliche Mitarbeiter als bestes Werbemittel
Diageo hat mit World Class eine werbeträchtige Plattform geschaffen, mit der das Unternehmen seine Fanbase stetig ausbaut. Für den indischen World-Class-Gewinner Gaurav Dhyani bedeutete das Ticket nach Berlin, die „Superstars der Industrie“ zu treffen und weiter an seiner Karriere zu feilen. „Ich habe begonnen, ihre Videos zu sehen, über ihre Kreationen zu lesen und so zu verstehen, wie ich den perfekten Cocktail für meinen Gast zubereiten kann.“
Unsympathische Konzerne
Mit dieser Einstellung reist nicht nur Dhyani nach Berlin. Denn die wenigsten Bars können sich ohne Verträge mit Diageo oder seinen Konkurrenten Pernod Ricard etablieren. Wobei es auch Gegenwehr gibt. „Uns sind diese Konzerne nicht gerade sympathisch“, sagt Jonas Schwarz von der Züricher Institution Bar63. „Wir wollen nicht moralisieren, aber arbeiten lieber mit lokalen und kleineren Strukturen zusammen. Für die freie Entscheidung über unsere Produkte zahlen wir auch gerne mehr.“
Doch wer auf dem Markt bestehen will, muss erfinderisch sein. Bei Diageo arbweitet man an der Imagepflege, kleinere Marken wie Belsazar werden dazugekauft. Zur Fachmesse Bar Convention Berlin, die am Mittwoch ihren Abschluss fand, wurde neben Seedlip, der einzigen „alkoholfreien Spirituose“ eine weitere Überraschung aus dem Hause Diageo vorgestellt: die „Games of Thrones“-Whisky-Edition „White Walker“.
Diageo schaffte es so, durch geschicktes Marketing, Hochprozentiges als Lifestlyeprodukt zu verkaufen. Und profitiert dazu vom positiven Image, das Alkohol in Deutschland genießt. Anders als Tabakerzeugnisse müssen diese Produkte mit nur wenigen Warnhinweisen versehen werden. Und da vergisst man glatt, dass die 130 Liter alkoholische Getränke, die bei uns im Schnitt pro Person im Jahr getrunken werden, gar nicht so gesund sein können.
Bis 14. Oktober findet in 70 Berliner Bars, Restaurants und Läden das Diageo World Class Cocktail Festival statt.
