Hochschulmittel mit Bedingungen

Hochschulpakt 6,5 Milliarden Euro erhalten die sächsischen Hochschulen bis 2024 vom Land.
Im Gegenzug sollen sie 11.000 Studienplätze abbauen – zum Unmut von Rektoren und Studierenden

DRESDEN taz | Die sächsischen Hochschulen wissen selber nicht genau, ob die neuen Ziel- und Zuschussvereinbarungen, die sie soeben mit der Staatsregierung unterzeichnet haben, ein Sieg oder eine Niederlage ist. Länger als ein Jahr hatten sie mit dem Wissenschaftsministerium verhandelt. Der herausgekommene Pakt ist eine klare Verbesserung gegenüber vielen Vorgängern, die dem erpresserischen Grundprinzip folgten: Stellenabbau gegen Planungssicherheit.

Dass der Stellenabbau dieses Mal fehlt, ist der Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) zu verdanken. Als sie nach fünf Jahren Opposition unter Schwarz-Gelb 2014 ins Kabinett der Großen Koalition berufen wurde, setzte sie sofort die geplante Stellenreduzierung an den Unis aus. Nun ist der ab diesem Jahr ursprünglich fällige Abbau von 754 Stellen endgültig vom Tisch. Den vier Universitäten und neun staatlichen Hochschulen in Sachsen bleiben so alle 9.034 Personalstellen erhalten. Auch Haushaltssperren müssen sie künftig nicht mehr hinnehmen. Insgesamt 6,5 Milliarden Euro sollen bis 2024 fließen.

Solche Verbesserungen entlocken nicht nur Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) das Selbstlob, dass „mehr Verlässlichkeit kaum noch geht“. Auch der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz, der Dresdner TU-Rektor Hans Müller-Steinhagen, preist diese Sicherheit gar als „bundesweit einzigartig“. Seine Leipziger Kollegin Beate Schücking, die sich mit dem Ministerium wegen beabsichtigter Schließung von Studiengängen schon heftig angelegt hatte, kommentiert freundlich: „Es ist für die Hochschulen immens wichtig, dass die tertiäre Bildung gestärkt und der Stellenabbau gestoppt wird.“ Sogar von den „Berufskritikern“ der linken und grünen Landtagsopposition oder der Konferenz der Sächsischen Studierendenschaften KSS kommt verhaltenes Lob.

Das ist eine Seite der Zuschussvereinbarung. Die andere sieht in dem parallel verabschiedeten Hochschulentwicklungsplan vor, die Studienplätze von 106.000 bis Ende 2024 auf 95.000 zu verringern. Als Grund führt das Ministerium auf taz-Nachfrage die „Qualität des Studiums“ an. Diese sei „hauptsächlich über ein gutes Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Lehrkräften zu erreichen“. Offenbar fürchtet das Ministerium, diese nach 2020 nicht aufrechterhalten zu können. Dann nämlich endet der Hochschulpakt, der den Ländern zusätzliche Bundesgelder beschert. „Die zusätzlichen Kapazitäten sind also endlich“, heißt es dazu aus dem Wissenschaftsministerium.

Diese Vorgabe stößt jedoch auf Unverständnis. Denn die demografische Entwicklung – inklusive des Zuzugs von Studienanfängern – rechtfertigt einen solchen Schluss nicht. Der Chemnitzer Universitätsrektor Gerd Strohmeier schildert deshalb in einem offenen Brief an die Mitarbeiter sein Dilemma, mit einer Verweigerung seiner Unterschrift unter den Hochschulentwicklungsplan auch die Zuschussvereinbarung zu kippen und damit den ursprünglich vorgesehenen Abbau von 754 Stellen zu riskieren. Der Rektor äußert zumindest den Verdacht, dass mit dem Studienplatzabbau einem späteren Stellenabbau doch die Hintertür geöffnet wird.

Die Leipziger Rektorin Beate Schücking berichtet von „einhelligem Unverständnis“ im Senat über den geplanten Studienplatzabbau. Ihn rechtssicher anzusteuern, sei unrealistisch. Die überregionale Studentenvertretung KSS will deshalb genau aufpassen, ob nun Studierende gezielt „herausgeprüft“ werden sollen. „Ohne die Einführung von Zwangs- und Selektionsmaßnahmen wie beispielsweise den Numerus clausus ist die von der Regierung gesetzte Zielzahl nicht zu erreichen“, sagt Sprecher Felix Ramberg. Insofern werde der Achtjahresplan für die sächsischen Hochschulen zu einem „hohen Preis“ erkauft. Für die Fraktion der Linken im Landtag erwartet Hochschulpolitiker Falk Neubert außerdem mehr Druck auf die Einhaltung der Regelstudienzeit.

Die Kritiker des neuen Pakts bemängeln die nach wie vor ungelöste Unterfinanzierung der Hochschulen, die zu der starken Abhängigkeit von Drittmitteln und befristeten Arbeitsverträgen für den Mittelbau führe. Spricht man beispielsweise mit Wissenschaftlern der TU Dresden, so werden fehlende freie Mittel in der Forschung als Hauptproblem genannt.

Michael Bartsch