Eine Welt aus Humor und Leidenschaft

Klassiker Richard Scarrys Bücher „Mein Allerschönstes Wörterbuch“ und „In der großen Stadt“ neu aufgelegt

Aus: „Mein allerschönstes Wörterbuch“

von Eva-Christina Meier

Ich freue mich, wenn Leute meine Bücher vernutzen oder wenn sie mit ­Klebeband zusammengehalten ­werden.“ Seit Generationen begleiten Richard Scarrys Bilderbücher, bevölkert von Hasen in Latzhosen und Füchsen auf Rollschuhen, US-­amerikanische Kinder verlässlich durch den Alltag. Spätestens mit dem 1963 veröffentlichten Erfolgstitel „Best Word Book Ever“ (dt.: „Mein Allerschönstes Wörterbuch“) etablierte der 1919 in Boston geborene Autor und Illustrator den unverwechselbaren Zeichenstil seiner unterhaltsamen und zugleich informativen Kinderbücher.

Schweine bei der Feuerwehr, Bären im Straßenbau, Katzen als Zoowärter, tanzende Flamingos oder segelnde Mäuse: in dem Wörterbuch stellen menschliche Charaktere in Tiergestalt Berufe, Aktivitäten oder Jahreszeiten vor. Nach Kategorien sortiert, machen die 1.400 Objekte auch mit Buchstaben und Begriffen bekannt. Die randvoll mit Leben gefüllten, attraktiv gestalteten Seiten überraschen mit immer wieder neuen Details und halten verlässlich vertraute Sachverhalte zum erneuten Nachschlagen bereit.

Die hier abgebildete Welt ist eine zupackende, voller Humor und guter Absichten

Bei der Entwicklung seiner einzigartigen Bildwelten boten die anthropomorphen Figuren Scarry die Möglichkeit, auch dramatische Szenen wie Unfälle oder Katastrophen mit gut gelauntem Witz darzustellen, vor allem aber erlaubten sie ihm, alle Kinder, ungeachtet ihrer ethnischen Zugehörigkeit, auf die gleiche Weise zu erreichen.

Trotzdem konnten Scarrys Alltagsdarstellungen mit den gesellschaftlichen Veränderungen in den 1970er Jahren nicht mithalten. Schließlich veranlasste die Kritik – seine Illustrationen würden zu sehr so­ziale Stereotype reproduzieren – Richard Scarry dazu, 1980 eine überarbeitete Fassung seines „Best Word Book Ever“ herauszugeben. So baute er beispielsweise eine Verkehrspolizistin, eine Richterin und einen kochenden Hasenvater ein.

Nun hat der Zürcher Diogenes Verlag den seit Langem vergriffenen Titel „Mein Allerschönstes Wörterbuch“ mit deutschen und englischen Begriffen neu aufgelegt – allerdings weitgehend in der Originalfassung von 1963.

Alte Bekannte

Gleichzeitig erschien auch das Buch „In der großen Stadt“ auf Deutsch. Der Originaltitel „Busy, Busy Town“ war nach Richard Scarrys Tod 1994 posthum veröffentlicht worden. Bei der Post, im Haus oder beim Tischler – in dieser Stadt ist allerhand los und einiges geht auch schief. Wieder trifft man auf alte Bekannte – auf Wachtmeister Meier, der im Original Sergeant Murphy heißt, oder den sympathischen (Katzen-)Jungen. Und sein Freund Egon Wurm alias Lowly Worm überholt im Apfelmobil die Mäuse im Käseauto. Tatsächlich haben sie alle immer etwas zu tun.

Die hier abgebildete Welt ist eine zupackende, voller Humor und guter Absichten. Bereits 1968 hatte Scarry in „What Do People Do All Day?“ das urbane Sujet ziemlich virtuos und handlungsorientiert umgesetzt. In diesem früheren Stadtbuch entwickeln sich zahlreiche chaotische Szenen, während gleichzeitig komplexe Abläufe, zum Beispiel in Wasser- oder Kohlekraftwerken, anschaulich und ausführlich erklärt werden.

Dagegen erscheint der für ein jüngeres Zielpu­blikum konzipierte ­Titel „In der großen Stadt“ erstaunlich übersichtlich – und die Stadt eher beschaulich als Dorf –, geeignet für den Einstieg in das umfangreiche Werk dieses Autors.

Richard Scarry: „Mein ­Allerschönstes Wörterbuch“. Aus dem Amerikanischen von Kati Hertzsch. Diogenes Verlag, Zürich 2016, 80 Seiten, 24 Euro, ab 4 Jahren

Richard Scarry: „In der großen Stadt“. Aus dem Amerikanischen von Kati Hertzsch. Diogenes Verlag, Zürich 2016, 48 Seiten, 18 Euro, ab 3 Jahren

Aus: „Mein allerschönstes Wörterbuch“