Unliebsame Vorlesende

ANTISEMITISMUS-VORWURF Weil Laurie Penny und Jakob Augstein beim Göttinger Literaturherbst auftreten sollen, bekamen die Veranstalter einen Offenen Brief

Man könnte sich vorkommen wie in der x-ten Wiederholung eines immergleichen Stückes: Nicht zum ersten Mal haben die Veranstalter des Göttinger Literaturherbstes – der am Freitag eröffnet worden ist – den Publizisten und Freitag-Herausgeber Jakob Augstein eingeladen. Und nicht zum ersten Mal entzündete sich daran Streit.

In einem Offenen Brief wandten sich am 12. Oktober mehrere zumeist dem universitären Kosmos zugehörige Gruppen an den interessierten Teil der Öffentlichkeit: Ausladen solle man Augstein, und die britische Publizistin Laurie Penny gleich mit, forderten der Allgemeine Studierendenausschuss, der Fachschaftsrat der Sozialwissenschaftlichen Fakultät, eine Gruppe „Association Pro­grès“ sowie die Hochschulgruppe der örtlichen Deutsch-Israelischen Gesellschaft: „Beide Personen sind durch antisemitische und antizionistische Äußerungen aufgefallen.“

Bei Augstein entzündet sich die Kritik an diversen Kolumnen für Spiegel Online: Darin verquirlte er deutschen Massenmord mit israelischer Sicherheitspolitik, eine beliebte Täter-Opfer-Verwechslung – auch das Simon Wiesenthal Center führte Augstein im Jahr 2012 auf einer Liste von „Top Ten Anti-Semitic/Anti-Israel Slurs“. Als er 2013 in Göttingen auftrat, kam es dann zu kleineren Tumulten, in Hannover wurde später eine Lesung gleich ganz abgesagt.

Laurie Penny legen die Briefschreiber zur Last, dass sie Unterstützerin der internationalen Kampagne „Boycott, Divest, Sanction“ (BDS) sei. Dass die BDS-Kritik an der israelischen Besatzungspolitik, sagen wir: problematische Anteile hat, sagen auch andere. Schon früher im Jahr hatte es Reibereien zwischen Penny und, nun ja, Teilen der deutschen Linken gegeben. Auch die taz berichtete über die Bloggerin Merle Stöver und deren Kritik an Pennys BDS-Unterstützung, und wiederum Pennys nicht unproblematischen Umgang mit den Vorwürfen aus Germany.

Ob der Ruf, Unliebsames nicht reinzulassen nun von der allerreifsten Haltng zu Debatte und Dissens kündet – dahingestellt. Die Veranstalter sahen sich am Freitag nicht zu einer Aussage in der Lage, abgesagt wurde keiner der Termine. Dass Laurie Penny statt am 30. Oktober nun erst im Dezember nach Göttingen kommt, habe einzig organisatorische Gründe. ALDI

Göttinger Literaturherbst: bis 30. Oktober; www.literaturherbst.com