Ausgebildet,um zu gehen

ASYL Eine Kosovarin und eine Albanerin könnten sofort als Altenpflegerin arbeiten. Doch ihnen droht die Abschiebung

In der Diakonie wurde Gilberta Kullaj (links) ausgebildet. Nur arbeiten kann sie dort leider nicht Foto: privat

von Marina Mai

Rrezarta Popaj, 29, und Gilberta Kullaj, 25, sind zwei Frauen, die kämpfen können. Und wollen. Und sie müssen kämpfen, wenn sie in Deutschland bleiben und arbeiten wollen.

Die 29-jährige Kosovarin und die 25-jährige Albanerin sollen aus Deutschland ausreisen, weil sie aus sicheren Herkunftsstaaten gekommen sind. Doch das ist etwas, was sie auf keinen Fall wollen. „Wir leben seit 22 Monaten in Berlin, sprechen Deutsch und haben hier Altenpflegerin gelernt“, sagt Kullaj. „Wir könnten sofort arbeiten, wenn man uns das erlauben würde. Und meine Tochter wurde in Berlin geboren. Sie spricht Deutsch und geht gern hier in den Kindergarten.“

Arbeiten dürfen die beiden Frauen nicht. So steht es in einem Schreiben der Innenverwaltung an die Diakonie, die die ausgebildeten Altenpflegerinnen gern einstellen würde. Würde die Diakonie, die die beiden Frauen ausgebildet hat und dringend Altenpflegerinnen braucht, sie dennoch einstellen, müsste sie eine sechsstellige Summe Strafe zahlen. Der Grund: Die Frauen stammen aus sicheren Herkunftsstaaten. Wer aus einem solchen Staat kommt, für den sind Arbeit und fast alle Integrationsmaßnahmen tabu. Sie sollen hier gar nicht erst heimisch werden, sondern so schnell wie möglich wieder ausreisen.

Trotz Bedrohung kein Asyl

Lediglich Deutschkurse bei freien Trägern und in Volkshochschulen sind für die Flüchtlinge aus dem Balkan noch zugänglich. Jobs sowie die meisten Ausbildungen und Praktika dürfen Menschen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten nicht annehmen. Die Ausbildung als Pflegebasiskraft in der Diakonie war ein Schlupfloch, eine der wenigen noch möglichen Ausbildungsmaßnahmen. „Wir haben vorher lange nach einer Ausbildungsmöglichkeit gesucht“, sagt Popaj.

Dabei ist der Beruf einer Altenpflegerin eigentlich weit unter der Qualifikation von Rrezarta Popaj und Gilberta Kullaj. Kullaj ist Lehrerin, Popaj hat im Kosovo Wirtschaft studiert. Doch beide Frauen sind zu modern für ihre noch traditionellen Länder. Die 25-jährige Kullaj erzählt: „In Albanien suchen die Familien den Mann für ihre Tochter aus. Doch ich habe meinen eigenen Kopf und habe mich in einen Mann verliebt, der kein Akademiker ist. Das akzeptiert meine Familie nicht.“

Und jetzt, wo sie mit dem Mann ihrer eigenen Wahl eine gemeinsame Tochter hat, wäre eine Rückkehr nach Albanien völlig ausgeschlossen. „Ich würde wieder hierher kommen, denn in Albanien wäre ich nicht sicher“, erzählt die modern gekleidete Frau. Sie fürchtet Wohnungslosigkeit, von den Eltern und Schwiegereltern bedroht zu werden und hätte Angst um ihr Kind. Ein Asylgrund ist das nicht, denn das ist keine staatliche Verfolgung. Auch die Tatsache, dass die Ökonomin „im wahrsten Sinne des Wortes von meinem Arbeitsplatz weggeboxt wurde“, wie sie sagt, weil sie weder bereit war, für den Arbeitsvertrag Bestechungsgeld zu zahlen noch sich auf Sex mit ihrem Chef einlassen wollte, ist kein Asylgrund. Doch Kullaj sieht die Einschätzung Albaniens anders. „Albanien ist kein sicheres Herkunftsland“, sagt sie. Kullaj kann sich in Rage reden, wenn sie von den Verhältnissen dort erzählt. Aber sie kann auch die Dinge auf den Punkt bringen. „Wir wollen uns in Deutschland integrieren. Wir wollen unser Geld selbst verdienen. Warum lässt man uns nicht?“ Ihre Freundin Rrezarta Popaj ergänzt: „Deutschland braucht doch Altenpfleger. Es werden sogar Altenpfleger aus unseren Staaten und aus Vietnam hierher geholt.“

Auch Popaj hat eine Verfolgungsgeschichte hinter sich, die im deutschen Asylrecht nicht zählt. Der Bürgermeister ihrer Gemeinde hätte die Lehrerin bedroht, sie von ihrem Arbeitsplatz geworfen, erzählt sie. Damals war sie schwanger. Eine Risikoschwangerschaft. Weil der Bürgermeister nach ihren Angaben den Ärzten untersagte, sich um sie zu kümmern, verlor sie das Kind. „Das Kosovo hat halb so viele Einwohner wie Berlin. Man kennt sich. Es herrscht Vetternwirtschaft. Weil ein Bürgermeister mich unter seinen Bann stellt, bin ich dort verloren.“

Das Leben in der Großstadt Berlin liebt Popaj. „Hier kann ich mich so kleiden, wie es mir gefällt. Kleid, Hose, alles ist erlaubt. Ich liebe es, zu experimentieren und mich nicht nach den Repräsentationsansprüchen meiner Familie zu richten“, freut sie sich. Und: Ja, es sei bitter, dass sie in Berlin nicht in ihrem Beruf als Lehrerin arbeiten könne. „Aber der Basispflegekurs in der Altenpflege hat auch meinen Horizont erweitert und ich kann mir vorstellen, in diesem Beruf zu arbeiten.“ Die alten Leute hätten der Kosovarin ihre Geschichten erzählt. „Ich habe von ihnen gelernt, Kartoffeln zu essen.“ Bitter war es dann, als nach dem Ende der Ausbildung ihre Mitschüler aus Armenien, Syrien oder Mali einen Arbeitsvertrag erhielten. Sie nicht.

Hilfe im Asylrecht erhalten die zwei Frauen in der Kreuzberger Flüchtlingskirche. Asylberater Boumedien Habibes hat alles für sie getan, was das Recht zulässt. Er hat sich an die Härtefallkommission des Berliner Senates und an den Petitionsausschuss des Bundestages gewandt. Habibes ist Jurist und legt das gesetzliche Arbeitsverbot anders aus, als es Berliner Behörden tun, weniger strikt. „Ich hoffe, da bewegt sich was“, sagt er. Die Anträge hat er im Juni gestellt, eine Antwort steht noch aus.

„Das sehen wir erst einmal positiv“, sagt der Flüchtlingsberater. „Denn während der Bearbeitungszeit werden sie zumindest nicht abgeschoben.“ Eine der Frauen würde während der Wartezeit ehrenamtlich in der Flüchtlingskirche arbeiten, die andere einen Deutschkurs besuchen. „Es ist wichtig für die beiden Frauen, dass sie nicht gesellschaftlich isoliert sind.“