Panama Papers? Nie gehört

ZENSUR „Ming Pao“ aus Hongkong berichtete über die Panama-Verbindungen von Machthabern. Nun muss der stellvertretende Chefredakteur gehen

Die Mitarbeiter von „Ming Pao“ solidarisieren sich Foto: Apple Daily/ap

von Felix Lee

In China unterliegen Medien einer strengen Zensur. Ausnahme ist Hongkong: In der ehemaligen britischen Kronkolonie gilt offiziell noch das alte Rechtssystem – samt Meinungs- und Pressefreiheit. Doch Pekings Einfluss wächst: Das belegt die Entlassung eines Journalisten, die offenbar mit den Panama Papers zusammenhängt.

Die bislang für kritische Berichterstattung bekannte Hongkonger Zeitung Ming Pao hat in der vergangenen Woche überraschend ihren stellvertretenden Chefredakteur entlassen, den renommierten Journalisten Keung Kwok Yue. „Weil gespart werden muss“, sagte der Chefredakteur Chong Tien Siong. Viele Mitarbeiter zweifeln an dieser Erklärung.

Wahrscheinlicher ist, dass die Kündigung im Zusammenhang mit den Panama Papers steht. Am Tag der Entlassung brachte die Zeitung namhafte Geschäftsleute und Spitzenpolitiker aus Hongkong mit den Enthüllungen in Verbindung. Reporter hatten Daten der Immobilientycoone Li Ka Shing, Lau Ming Wai und des ehemaligen Hongkonger Finanzministers in den Panama Papers ausgemacht. Auch der Filmstar Jackie Chan taucht auf. Am Mittwoch versammelten sich Redakteure aus Solidarität vor dem Haupteingang der Zeitung. „Wenn ein Journalist, der so moderat und professionell ist wie Keung, nicht mehr toleriert wird – was sagt das über den Zustand von Hongkongs Pressefreiheit aus?“, heißt es in einer Stellungnahme der Mitarbeiter, die acht Journalistenverbände mitunterzeichnet haben. Auch der Betriebsrat der Ming Pao war über die Entlassung „extrem unglücklich und sauer“.

Chefredakteur Chong ist im Haus höchst umstritten. Er gilt als zu Peking-freundlich. Schon seine Ernennung vor zwei Jahren hatte bei den Mitarbeitern die Befürchtung ausgelöst, dass er den Ruf der Ming Pao als kritischste Zeitung Hongkongs aufs Spiel setzen könnte.

China ist in Panama

Bevor der 55-jährige Malaie Chef wurde, hatte die Zeitung für ihre Berichterstattung zahlreiche internationale Journalistenpreise gewonnen. Danach nicht mehr. Laut den Mitarbeitern bestätigt die Entlassung, dass Pekingnahe Spitzenpolitiker und Geschäftsleute oder Peking selbst in Hongkong die Fäden ziehen.

Die Panama Papers wurden in China bislang kaum thematisiert. Dabei ist die Volksrepublik das Land, das in den geleakten Daten am häufigsten erwähnt wird. Fast ein Drittel der Kunden Mossack Fonsecas stammt demnach aus China oder Hongkong. Die Kanzlei hält insgesamt acht Büros in der Volksrepublik, so viele wie in keinem anderen Land.

Viele chinesische Journalisten wissen zwar um die Brisanz der Panama Papers, dürfen aber nicht darüber berichten. Die Bevölkerung ist daher nur wenig informiert.

Nicht nur chinesische Geschäftsleute betreiben Briefkastenfirmen in Panama. Auch Angehörige von Spitzenpolitikern, darunter der Schwager von Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie die Tochter des ehemaligen Ministerpräsidenten Li Peng. Der war 1989 verantwortlich für die Niederschlagung der Demokratieproteste auf dem Tiananmenplatz.

Die Hongkonger Medien haben zwar über die Panama Papers berichtet. Das internationale Journalistenkonsortium, das die Daten auswertete, hatte aber bewusst niemanden von dort einbezogen. Man würde den Hongkonger Medien nicht mehr trauen, heißt es. Auch Reporter ohne Grenzen bestätigt eine deutliche Verschlechterung der Pressefreiheit in Hongkong. Im Jahr 2002 lag die Stadt in der weltweiten Rangliste noch auf Platz 18, mittlerweile ist sie auf Platz 70. China liegt an 176. Stelle von insgesamt 180 untersuchten Staaten.