"Dieselsteuer anheben“

Elektroautos Verkehrsexpertin Kemfert verlangt, dass sich Berlin für alternative Kraftstoffe und strikte Grenzwerte einsetzt

Wunsch: Bundesregierung und Autoindustrie wollen gemeinsam die bislang schwache Nachfrage nach Elektroautos ankurbeln. Entscheidungen zur Förderung der Elektromobilität sollten noch dieses Jahr wirksam werden, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann.

Prämien: In der Koalition machen sich SPD und CSU daneben für Kaufprämien stark, für die Gabriel eine Größenordnung von 5.000 Euro pro Fahrzeug vorgeschlagen hat. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lehnt dies bisher ab, die Kanzlerin hat sich nicht öffentlich festgelegt.

taz: Frau Kemfert, der Kampf in Europa um strengere Abgaswerte für Dieselfahrzeuge zeigt, wie schwer sich die Europäische Union mit Umweltvorgaben für die Automobilindustrie tut. Sollte die Bundesregierung, damit sich überhaupt etwas bewegt, dem Druck der Automobilindustrie nachgeben und eine Kaufprämie für sauberere E-Autos einführen, wie derzeit diskutiert?

Claudia Kemfert: Die Elektromobilität ist ein Baustein von vielen. Solange die Regierung noch den Diesel durch Steuererleichterungen fördert und auch sonst keine Gesamtstrategie hat, um den Verkehr umweltfreundlicher zu machen, ist eine Kaufprämie nur für E-Autos zu kurzsichtig und nicht nachhaltig.

Es wäre ein Start?

Die E-Autos werden unattraktiv bleiben, während die konventionelle Mobilität im Vorteil ist. Zudem fehlt im Moment eine ausreichende Lade­infrastruktur. Eine solche Kaufprämie wird kaum ausreichen, das herkömmliche Fahrzeug zu ersetzen. Vermutlich wird ein Zweit- oder Drittwagen gekauft – das hat wenig mit nachhaltiger Mobilität zu tun.

Braucht man die Elektroautos langfristig nicht als Speicher für überschüssigen Ökostrom – und damit auch für die Energiewende?

Die Batterien in den Elektro­autos könnten in der Tat ein guter Speicher sein und so das dezentrale Netz entlasten. Doch bisher subventioniert die Regierung auch noch den Kohlestrom, man tankt im Moment nicht nur erneuerbare Energien, daher ist der Umwelteffekt derzeit gering.

Sie nehmen in Kauf, dass die US-Konzerne die modernen Autos entwickeln und die deutschen Firmen verlieren?

Das hat die Regierung schon in der Vergangenheit sehenden Auges zugelassen. Die USA haben ihre Autobauer durch schärfere Gesetze gezwungen, emissionsärmere Wagen anzubieten. Die EU hat das nicht getan.Dabei ist die Autoindustriehierzulande mit 700.000 Arbeitsplätzen eine Schlüsselindustrie.

Was schlagen Sie stattdessen vor?

Die Bundesregierung muss die um über 18 Cent günstigere Dieselsteuer auf das Niveau von Benzin anheben, sich in Brüssel für striktere Grenzwerte einsetzen und alternative Kraftstoffe wie Erdgas fördern. Auch müsste mehr Geld in den Ausbau der Schiene gesteckt werden, sodass mehr Güter statt auf der Straße mit der Bahn transportiert werden und auch die Ticketpreise für alle Kunden attraktiver werden können.

Claudia Kemfert

Foto: DIW

47 Jahre alt, leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Sie ist zudem Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit an der Hertie School of Governance in Berlin.

Das scheint schwer durchzusetzen zu sein. Wie viel Zeit bleibt uns denn noch?

Der Verkehr macht hierzulande über 20 Prozent an den CO2-Emissionen aus, hinzu kommen Feinstaub und Stickoxide. Nimmt die Bundesregierung ihre eigenen Klimaziele und das Klimaabkommen von Paris ernst, muss sie heute beginnen umzusteuern.

INTERVIEWHanna Gersmann