Ungewöhnlicher Protest gegen Gentrifizierung

Stadtentwicklung In Frankfurt am Main wollten sich Künstler öffentlich einen Schuss setzen

Frankfurter Hauptschule

ist ein Zusammenschluss von zehn Studierenden der Kunst, Gestaltung und Musik. Sie leben im Bahnhofsviertel. Die Heroin-Performance ist ihre erste öffentlichkeitswirksame Aktion.

Die Künstlergruppe „Frankfurter Hauptschule“ wollte sich öffentlich einen Schuss setzen, um gegen die Gentrifizierung des Bahnhofsviertels zu protestieren. Am vergangenen Freitagmittag hat die Galerie Kaiser P, in der die Aktion ursprünglich stattfinden sollte, die Performance jedoch abgesagt. Die taz interviewte ein Mitglied der Künstlergruppe, das allerdings anonym bleiben möchte.

taz: Der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank wollte von Vornherein die Aktion verhindern. Nun war er indirekt erfolgreich. Haben Sie damit gerechnet?

N. N.: Das Ganze ist ein spektakulärer Zwischenstand in einer Provinzposse der Lokalpolitik. Die Stadt hat Angst vor politischer Kunst. Allein, dass uns das Kulturamt kurzfristig die Fördergelder gestrichen hat, schreit ja eigentlich zum Himmel.

Sind Sie enttäuscht von der ­Absage?

Nein, es ist einfach affig. Gerade auch, dass über Bande gespielt wurde und uns die Galerie abgesagt hat. Ein Verbot von der Stadt wäre uns lieber gewesen, da wären die Fronten klarer gewesen.

Warum überhaupt die Ankündigung zur „Heroin Performance“, warum der Griff zu so einer drastischen Maßnahme?

Als Bewohner des Bahnhofsviertels verfolgen wir die Aufwertungsprozesse schon länger. Wir wollen uns ästhetisch mit diesem Thema auseinandersetzen und auf die Widersprüche hinweisen, also nicht einfach nur sagen: „Oh, hier gibt es Gentrifizierung, lass uns mal darüber reden.“ Wir wollen zeigen: Wir fühlen uns hier zwischen den Junkies wohl.

„Die Junkies gehören zum Bahnhofsviertel wie der Wind zum Meer“, heißt es ein wenig kitschig in Ihrer Pressemitteilung. Idealisieren Sie damit nicht Drogenabhängigkeit?

Suchtkrankheit ist für die Betroffenen ein Problem, das liegt auf der Hand. Aber die Junkies, die gibt es eben, und die gibt es wegen einer speziellen gesellschaftlichen Verfasstheit. Zu sagen: „Die müssen weg, wir wollen das hier schön machen“, löst das Problem eben nicht. Mit unserer Drogen-Performance wollen wir den Finger bewusst in gesellschaftliche Wunden legen.

Und dazu soll dann die Heroinspritze nötig sein?

Wir wollen eine Heroin-Performance machen. Wir sagen nicht, dass es Heroin sein wird, wir nennen es halt so. Es wird etwas gespritzt, aber was, das wollen wir bewusst offenhalten, auch aus juristischen Gründen. Es kann auch Kochsalz sein.

Sie kritisieren die Aufwertung durch Künstler und sind selbst welche. Ist das nicht paradox?

Ja, auch wir tragen unseren Teil zur Aufwertung bei. Uns inter­essiert die künstlerische Forschung dazu. Da, wo es dreckig und günstig ist, ziehen die Studenten und Künstler hin. Dann kriegen andere das spitz, kommen nach, die Mieten steigen. Die Gentrifizierung von oben setzt ein. Aber auch wir sind von der Verdrängung betroffen. Zwei von uns sind auf Wohnungssuche.

Interview Alina Leimbach