Erst Euro-Krise, dann Ukraine-Krise, jetzt Flüchtlings-Krise
: Endlose Endzeitstimmung

Eben

von Doris Akrap

Würde es den Empathie-Button bei Facebook schon geben, wären dieser Tage sicher schon massenweise Europa-Karten oder Europa-Symbole mit dem Kommentar „R. I. P.“ oder einem Grabkreuz gepostet und emphatisch geliked worden.

Denn es herrscht wieder Endzeitstimmung, und alle machen mit. Der Varoufakis und der Lafontaine, der Sarrazin und die Pegida, der linksliberale und der linksradikale Stammtisch- oder Profi-Kommentator. Die europäische Idee ist am Ende, die EU ist am Ende, Europa ist am Ende, das europäische Zeitalter ist am Ende.

Für manche Apokalyptiker geht Europa aber auch nur seinem Ende entgegen oder auf es zu. Vorsichtigere Propheten setzen der Aussage, dass „Europa am Ende“ sei, ein „?“ dahinter oder ein „könnte“ davor. Aber auch für die Liebhaber des ganz großen Kinos ist was dabei: Nicht nur die Verwaltungen in Brüssel und Strasbourg, sondern unsere ganze schöne Demokratie und überhaupt die Politik landet gerade im Mülleimer.

Noch nie sei die Existenz der EU so sehr gefährdet wie zurzeit, heißt es angesichts der Flüchtlingskrise. Jetzt aber wirklich. Echt, jetzt. Anfang des Jahres hieß es das auch schon mal, angesichts der Ukrainekrise. Niemals nie sei eine Krise existenzieller gewesen als diese. Dann kamen Varoufakis und die Syriza. Europa drohte jetzt aber wirklich endgültig den Abgrund hinunterzufallen, vor dem es sowieso schon die ganze Zeit stand.

Kurz zuvor hatte es ja nämlich die Eurokrise gegeben. Das unvermeidliche Ende des Euro war ausgerufen worden und damit der definitiv bevorstehende Kollaps der EU als besiegelt angesehen worden. Seit es die Idee einer europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gibt, wurde ihr Scheitern prognostiziert. Bereits 1963 wurde die Weigerung Charles de Gaulles, England in die EWG aufzunehmen, als das Ende Europas interpretiert.

Wirklich lustig an dem Reden über das Ende von diesem und jenem ist, dass es nie zu Ende geht. „Das verzweifelt helle Bewusstsein, inmitten einer entscheidenden Krisis zu stehen, ist in der Menschheit chronisch“, schreibt Walter Benjamin. Dabei ist nichts langweiliger als Gerede vom Ende.

Das wiederholte Abrufen der Angst vor dem Ende dient aber nicht dazu, irgendwen aufzuwecken. Sondern wirkt wie eine Schlaftablette. Das drohende Unheil des Endes vermittelt das Gefühl, dass alles so bleiben soll, wie es ist, weil es, so wie es ist, gut so ist.

Aber diese EU, so wie sie ist, ist nicht gut. Frontex, Schengen, Dublin III – warum sollte das nicht zu Ende gehen? Ob diese Abschottungspolitik nun wirklich am Ende ist, das wird sich in dieser Woche bei den großen EU-Sitzungen zur Flüchtlingskrise ansatzweise zeigen. Sicher ist es keinesfalls.

Sicher am Ende hingegen ist das briefadlige Geschlecht „am Ende“ aus Sachsen, das mit „Georg am Ende, dem Alten“ (gestorben 1460) begann. Sachsen ist deswegen noch lange nicht am Ende. Es sollte allerdings schleunigst zusehen, dass der Terror in Freital zum Ende kommt, damit es hier oder anderswo kein böses Ende nimmt. THE END

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch

Anja Maier

Zumutung

Donnerstag

Margarete Stokowski

Luft und Liebe

Freitag

Jürn Kruse

Fernsehen

Montag

Ingo Arzt

Millionär

Dienstag

Sonja Vogel

German Angst