„Arschgeigen“ und taz-Hotel

SCHLAGLICHTER Harald Welzer wütet, Andreas Rüttenauer scherzt, und GenossInnen haben große Pläne

„Glaubt nicht, was die euch erzählen. Werft die Smart­phones weg“

Soziologe Harald Welzer
Die Gäste

Harald Welzer hat keine Zeit. Zehn Minuten, um eine ganze Weltanschauung darzulegen, sind einfach zu wenig: Aus einem Zitat aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung – „Diabetes ist ein Zukunftsmarkt“ – entwirft der Sozialpsychologe binnen Sekunden das düstere Bild einer „totalitären Gesellschaft“, die viele Vertreter der Digitalwirtschaft propagieren. So finde derzeit eine „feindliche Übernahme der freiheitlichen Gesellschaftsmodelle“ statt. Die Privatheit werde zerstört. Die gesamte Welt entdemokratisiert. Unser bisher bekanntes soziales Leben gefährdet. Und die Politik erstarre „vor diesen Arschgeigen, wenn sie ihre Vorträge halten“. Repolitisiert die zentralen Fragen des Lebens!, fordert Welzer. Nicht glauben, was die alles erzählen! Und Smartphones wegwerfen beim Rausgehen.

Das Hotel

Was wird aus dem taz-Haus in der Rudi-Dutschke-Straße, wenn Redaktion und Verlag in zwei Jahren in das neue Haus in der Friedrichstraße ziehen? Sechs Etagen, mit großem Dachgarten und voller Erinnerungen, 3.000 Quadratmeter in bester Lage in Berlin-Kreuzberg. Fest steht: Es wird nicht verkauft. Klar ist auch: Es muss Geld einbringen. 330.000 Euro im Jahr, so fordert es der Finanzplan. Bloß wie? Mit herkömmlicher Vermietung? Viele taz-GenossInnen haben da Bedenken. Einige haben sich bereits vorab getroffen und schon ein Konzept: das taz-Hotel. Ohne Minibar, ohne Fernseher mit drei Preismodellen. Ein Hotel? Sehen einige Genossinnen und Genossen kritisch. Zu viel Bürokratie, zu riskant, zu viel Aufwand. Bei der nächsten Geno-Versammlung im Herbst 2016 soll der Vorstand mögliche Alternativen vorstellen.

Die Werkstatt

Was die Zukunftswerkstatt der taz mal so sein soll, „ha“, das weiß Andreas Rüttenauer bislang auch noch nicht so recht. „Einen Diskussionspool, vorbei an allen Gremien“, wünscht sich der frühere Chefredakteur der taz, der noch früher Kabarettist war und es ewig bleiben wird. Einige Ideen hatte er schon! Und jede davon direkt wieder verworfen. Am Zeitschriftenkiosk hat er neulich erstmals die In Touch entdeckt, „eine Gala für unter 25-Jährige“ – und sie sich direkt zum Vorbild genommen. Sein Vorschlag für die „In taz“ zeigt Angela Merkel und Sigmar Gabriel in leidenschaftlicher Umarmung auf der Titelseite. Und Videoformate fürs Netz: Das könnten wir doch auch! Wie die Bild-Zeitung. Nur mit Inhalt.

„Da geht ja noch viel mehr. Pack ma’s!“ Annabelle Seubert
undPaul Wrusch