Wambach for President

VeteraninObwohldie 35-jährige Abby Wambach Kultstatus hat, gibt sie auch als Ergänzungsspielerinim US-Team eine gute Figur ab und empfiehlt sich für höhere Aufgaben

Später Triumph: Wambach  Foto: dpa

VANCOUVER taz | Mit Veteraninnen hat man es immer schwer. Mit Abby Wambach nicht. Die Frau, die die meisten Tore für ein Nationalteam erzielte, die nach nun 248 Länderspielen zurücktritt, wurde von Jill Ellis nach dem ersten Gruppenspiel auf die Ersatzbank gesetzt. Und murrte nicht. Im zweiten Gruppenspiel gegen Schweden tanzte die Rekordtorschützin sogar zu AC/DCs Thunderstruck ins Stadion – aber nicht auf den Platz, sondern auf die Bank.

„Jetzt weiß ich, was meine Mutter die ganzen Jahre vor dem Fernseher durchgemacht hat“, sagt Wambach als Antwort auf die Frage, wie es ihr auf der Bank erginge. Sie hatte sich in die Rolle der Ältestenrätin, des Edeljokers, der allen Kindern gleichermaßen Liebe und Witz zuteil werden lassenden Mama gefügt. Aber sie war auch diejenige, die austeilte, wenn es darum ging, Gründe für eigene Niederlagen vom Team ab- und auf Kunstrasen, Schiedsrichterinnen oder andere Schuldige umzuleiten.

Nach dem gewonnenen Halbfinale gegen die Deutschen verfiel sie nicht in Häme, auch wenn man ihr anmerkte, wie euphorisierend dieser Sieg auf sie und ihr Team wirkte. Sie hielt vor den anwesenden Journalisten eine zehnminütige Rede, ohne dass vorher eine Frage gestellt wurde. Sie beschwor den Teamgeist ihrer Mitspielerinnen, lobte ihre Zimmer- und Busfahrnachbarinnen über alles und machte klar, dass sie mit dem 100-prozentigen Willen zur Weltmeisterschaft hier angetreten war – ob auf, unter oder vor der Bank.

Das Bild nach dem Finale, als sie in die Fankurve ging, um ihre Ehefrau, die ehemalige Fußballerin Sarah Huffman, zu umarmen und zu küssen, hätte schon über Nacht zur Ikone werden können, wäre nicht Gianis Varoufakis zurückgetreten. Und würde nicht immer noch der Frauenfußball als Zickenkrieg mit Haareziehen gesehen.

Wambach ist alles andere als eine Zicke. Sie ist vielleicht die abgebrühteste Kollektivrepräsentantin dieses Sports. Welche Geschütze sie hinter den Kulissen auffährt und welche Kriege sie anzettelt und ausficht, ist ein Geheimnis. Aber so sehr, wie sich die jungen Kolleginnen öffentlich bei Wambach für ihre Warmherzigkeit und ihre Unterstützung bedanken, kann sie in der Kabine nicht allen einfach nur auf die Nerven gehen.

In der Mixed Zone nach dem Finale stehen einigen Spielerinnen Tränen in den Augen, wenn sie auf Wambach angesprochen werden. In einer hinreißenden Geste hatte sie die Kapitäninnenbinde um den Arm der 40-jährigen Christine Rampone gebunden und ging mit ihr zusammen als Letztes auf die Bühne, um ihre erste und letzte WM-Trophäe entgegenzunehmen.

Wäre die Fifa eine coole Organisation, würde sie Abby Wambach zur Nachfolgerin von Sepp Blatter wählen. Mit ihren überwältigenden und mitreißenden rhetorischen und schauspielerischen Möglichkeiten würde sie vielleicht die Turks- und Caikosinseln nicht mehr auf ihrer Seite haben. Aber als empathischer Diplomat, der die Sache mit dem Frauenfußball nicht nur zentimeterweise voranbringt, wäre sie die beste Kandidatin. Doris Akrap