Beliebte Namen: "Revolution" ist aus der Mode

Auch in der türkischen Community in Berlin gibt es Modenamen: Religiöse sind gerade im Trend, politische dagegen vollkommen out. Moderne Eltern setzen auf fantasievolle Eigenkreationen.

Die Ayses und Fatmas, die Ahmets und Mehmets - sie alle haben derzeit ein Problem: Sie sind total out. Solche altmodischen Namen, die auf dörfliche Verbundenheit beziehungsweise altmodische Familientraditionen verweisen, haben es bei jungen türkischen Familien in Berlin schwer. Statt dessen toben zur Zeit Aylin und Merve, Habib und Emre durch die Kindergärten und die unteren Grundschulklassen. Mira und Melisa, Yunus und Kaan sind dagegen inzwischen schon in der fünften und sechsten.

Ähnlich wie bei den Deutschen, wo sich die namensgebenden Eltern grob in die Paul-Wilhelmine- und die Shakira-Kevin-Fraktion teilen, gibt es auch in der türkischen Community zwei Hauptströmungen der Namensmode. Während die eine Gruppe verstärkt auf Namen aus der religiösen Sphäre setzen, entwickelt die andere avantgardistische Eigenentwürfe.

"Bei bestimmten Namen weiß ich sofort, dass zu dem Kind eine Mutter mit Kopftuch und langem Mantel gehört", sagt Edith Giere, die seit vielen Jahren die deutsch-türkische Kindertagesstätte VAK in Kreuzberg leitet. "Mohammed" gehört dort zu den Dauerbrennern. "Dilaras kommen dagegen meist aus eher modernen Elternhäusern", so Giere.

Derzeit seien vor allem bei Mädchen Doppelnamen sehr modern: "Asya-Nur, Seyda-Nur - das hatten wir früher nicht." "Nur" bedeutet Glanz oder Helligkeit und wird dem Namen wie ein Segenswunsch angefügt.

Extrembeispiele für schichtspezifische Namensgebung wie Kevin oder Mandy gebe es bei den Türken zwar nicht, meint Atilla Ciftci, 41, Leiter der Marketingagentur Beys. Doch man könne anhand von Namen durchaus Rückschlüsse auf die Herkunft ziehen. "Traditionelle Familien vergeben eher Namen aus der religiösen Abteilung", so Ciftci, "aus dem Koran oder dem arabischen Sprachraum." Moderne dagegen entwickelten gerne fantasievolle Eigenkreationen: "Da gibt es dann zwar noch einen Zusammenhang mit der türkischen Sprache, aber trotzdem ist nicht gleich zu erkennen, dass es sich um einen türkischen Namen handelt." So wie "Su", was auf Türkisch Wasser bedeutet, aber eigentlich kein klassischer Name ist. Auch Benan, Alena, Aylin oder Dilara entsprechen dieser Moderichtung. "Es soll leicht auszusprechen sein und nicht gleich auf den türkischen Hintergrund verweisen", sagt der Werbefachmann Ciftci. "Ibrahim heißt heute eben kaum noch einer."

Kita-Leiterin Edith Giere dagegen erlebt viele ihrer Eltern durchaus als traditionsverhaftet. "Wenn jemand seinen Sohn Yigit nennt, weiß er eigentlich, dass nahezu alle Deutschen den Namen immer falsch aussprechen werden." Doch viele Eltern dächten darüber nicht nach, oder, so Giere: "Sie gehen davon aus, dass die Deutschen die Namen sowieso immer falsch aussprechen." Derya Ovali, 25, Vorstandsvorsitzende des Türkischen Wissenschafts- und Technologiezentrums und Vorstandsmitglied im Türkischen Bund, verteidigt diese Haltung: "Die Lehrer wissen ja schließlich auch, wie der Name José auszusprechen ist." Es sei deshalb nicht einzusehen, wieso sie nicht auch Safak richtig aussprechen könnten.

Was allerdings auch schon wieder ein unzeitgemäßer Name wäre: Wurden in den Achtzigern Kinder noch Devrim (Revolution), Direnc (Widerstand) oder eben Safak (beschreibt die Röte des Tagesanbruchs und damit auch die der türkischen Fahne) genannt, ist diese Zeit der politischen Namensgebung offenbar vorbei. "Das macht heute keiner mehr", sagt Atilla Ciftci.

Ungebrochen sei dagegen ein Trend, der Deutsche und Türken verbindet: Nämlich der, Namen aus Fernsehserien oder von Popstars zu wählen. Trendexperte Ciftci findet das allerdings in beiden Fällen "voll peinlich".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.