Giftspuren in jedem zweiten Öko-Produkt: Kampf gegen Biopfusch in Türkei

Chemiker haben in türkischen Ökorosinen Pestizide gefunden - nun fordern Experten mehr Kontrollen. Insider hält Zustände bei Biozertifizierern in dem Land für Skandal.

Orangen aus der Türkei? Besser nicht. Bild: dpa

BERLIN taz Nach Pestizidfunden in türkischen Biolebensmitteln haben Vertreter der Ökobranche Konsequenzen gefordert. Manche Importeure müssten sehr viel genauer hinschauen, von wem sie beliefert werden, sagte am Mittwoch Jochen Neuendorff, Chef der Gesellschaft für Ressourcenschutz, die als staatlich zugelassene Kontrollstelle das Bio-Siegel vergibt. "Ein Biozertifikat allein reicht nicht." Er nannte Firmen wie die Rapunzel Naturkost AG als Vorbilder, die nach eigenen Angaben ihre Biobauern vor Ort regelmäßig beraten und jeden Wareneingang chemisch prüfen.

Die Ökozertifizierer müssten viel öfter unangekündigt kontrollieren und Proben im Labor untersuchen lassen, ergänzte Neuendorff. "Eine angekündigte Inspektion pro Jahr genügt nicht." Er selbst sei nicht in der Türkei tätig. Auch die Staaten der Europäischen Union und die Kommission in Brüssel sind nach Meinung von Neuendorff gefordert: "Sie müssen die Situation vor Ort prüfen und Biomissbrauch unterbinden."

Der Bundesverband Naturkost Naturwaren sprach sich für mehr Investitionen in Ländern wie der Türkei aus, damit auch dort die Regeln der guten landwirtschaftlichen Praxis eingehalten werden. "Viele Probleme sind auf mangelnde Ausbildung sowohl der konventionellen als auch der Biolandwirte zurückzuführen", erklärte Katja Niedzwezky, Sprecherin für den Bereich Herstellung und Handel.

Dass Reformen nötig sind, hatte zuletzt am Dienstag das Ökomonitoring 2007 des baden-württembergischen Ministeriums für Ernährung gezeigt. 50 Prozent der getesteten Produkte aus der Türkei enthielten deutliche Giftspuren. Betroffen waren Rosinen, getrocknete Aprikosen und Orangen. Damit nimmt das Land auf der Negativliste die Spitzenposition ein.

Das Ergebnis bestätigte ein lang gehegtes Misstrauen der Ökobranche. "Es gibt türkische Biozertifizierer, mit denen wir nichts zu tun haben wollen", sagte Christian Winzer, dessen österreichische Bionahrungsmittel GmbH Trockenfrüchte auch nach Deutschland einführt. Trotz einheitlicher EU-Anforderungen gebe es Bedenken. Ein anderer Brancheninsider wurde noch deutlicher: "Die Kontrollstellen in der Türkei sind einfach lausig. Das ist ein Skandal, was da unten läuft", meinte er. Die Behörden schauten dem untätig zu. Es gebe viel Korruption.

Auch Winzer sieht gravierende Strukturprobleme: "Es hat etwas mit Mentalität zu tun." Der Biogedanke sei in der Türkei nicht so tief verankert wie anderswo. Außerdem lägen viele Ökohöfe dicht bei konventionellen, was die Gefahr der Abdrift von Pestiziden erhöhe. Seine Firma habe die Defizite aber mithilfe rigoroser Kontrollen in den Griff bekommen.

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