Kolumne Landmänner: Unsre tolle Luise - wo bliebse?

Auf einer Spazierfahrt durch Brandenburg und McPomm begegnet man Blühendem wie Totem.

Bleibt man wegen der Schweinegrippe im Allgemeinen und Berlusconi im Besonderen besser zu Hause und lässt alle Türen und Fenster geschlossen? Mitnichten: Wer sich stattdessen entschließt, eine Spazierfahrt durch Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern anzutreten, wird weder Menschen noch Schweine antreffen und statt Pizza & Pasta zu begegnen, Schnitzel mit Mischgemüse antreffen. Gut, Schweine also doch. Und auch an den Tankstellen McPomms werden selbstverständlich lokale Pizza-Varianten mit Analog-Käse gereicht.

Mono sind hingegen weite Teile der Landschaft, die sich seit Eintreffen des Frühlings nicht mehr in Grau-Braun, sondern Grün-Gelb präsentiert: Aller Orten blüht buntest der Raps, was meinen Freund die Nase rümpfen lässt, nicht etwa aufgrund allergener Unbill, sondern weil er verstärkt unter akutem Hass gegen westdeutsche Neo-Großgrundbesitzer leidet: "Die kommen hier mit dem Helikopter aus Bayern angeflogen und reißen sich nach und nach den ganzen ehemaligen LPG-Besitz unter die manikürten Nägel." Monokultur ist, wenn man über die Landstraße fährt und in einen Wüstensturm aus Rapsblütenstaub gerät.

Als wir uns da durchgekämpft hatten, trafen wir plötzlich auf Luise von Preußen. Die Gute verstarb im Jahr 1810 aufgrund einer Lungenentzündung - nachdem sie unbemerkt unter einem Herztumor gelitten hatte. Verschieden bereits mit 34 Jahren, was ihrer nachträglichen Verehrung nicht abträglich war. Jung und schön, so blieb die preußische Madonna in Erinnerung. Während unsere heutige, die aus den USA, stets in Angst leben muss, dass ihre Hände fotografiert werden. Luise ist nun also schon lange tot, aber in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wird sie noch immer verehrt, sogar die Katze von meinem Freund hieß so. Sie ist ebenfalls schon seit längerem verschieden, doch für Luise baute Schinkel in Gransee ein Denkmal aus Eisenguss, bloß weil ihr Sarg dort während der Überführung nach Berlin für eine Nacht aufgebahrt worden war. Gransee ist übrigens mindestens so tot wie Luise.

Wir fuhren weiter und landeten beim Weihnachtsmann. Nämlich in Himmelpfort, das ist der Ort, an dem sich einmal im Jahr die Journalisten auf den Füßen herumstehen, weil am Postamt Himmelpfort die Karten mit den Weihnachtswünschen ankommen und auch beantwortet werden. Es war aber niemand zu Hause, so fuhren wir weiter.

Luise hatten wir schon fast vergessen, doch als wir in Neustrelitz ankamen, der ehemaligen Residenzstadt, die über ein Theater nebst angeschlossener, überdurchschnittlich hoher Homo-Population verfügt, trafen wir sie schon wieder. Auf einem luftigen Hügel des Schlossgartens hat man ihr einen Tempel errichtet, mit Seeblick. Sie muss wohl eine Nette gewesen sein, schlechte Schülerin, gute Laune.

"Dass die sich das damals haben gefallen lassen", sagte mein Freund, "hatten nichts zu fressen, und die bauten hier Schlösser, Tempel und Theater." Wir gingen weiter und stießen auf einen russischen Friedhof - in Neustrelitz war ein Panzerregiment der Roten Armee stationiert, übrig blieben nur Gräber und drei zum Abschied gepflanzte Birken.

Was die Menschen sich alles einfallen lassen, aber langweilig werden sie nie. Mal sehen, was als Nächstes kommt.

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* 21. Februar 1973 in Wittlich; † 26. Mai 2023 in Berlin, war Redakteur der taz am Wochenende. Sein Schwerpunkt lag auf gesellschaftlichen und LGBTI-Themen. Er veröffentlichte mehrere Bücher im Fischer Taschenbuchverlag („Generation Umhängetasche“, „Landlust“ und „Vertragt Euch“). Zuletzt erschien von ihm "Die Kapsel. Aids in der Bundesrepublik" im Suhrkamp-Verlag (2018). Martin Reichert lebte mit seinem Lebensgefährten in Berlin-Neukölln - und so oft es ging in Slowenien

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