Reaktionen auf Flugzeugabsturz: Tränen um "Loko"

Nach dem Flugzeugunglück des Eishockey-Teams von Lokomotive Jaroslawl ruht der Ligabetrieb. Doch schon bald soll der Klub wieder um die Meisterschaft spielen.

Trauer in Jaroslawl: Fans gedenken ihrer Mannschaft. Bild: reuters

MOSKAU taz | Auch einen Tag nach dem Flugzeugunglück in Jaroslawl strömen die Fans des Eishockeyklubs Lokomotive noch mit Blumen und Kerzen in das Stadion von "Loko". Am Mittwoch war fast die gesamte Mannschaft des russischen Erstligisten bei dem Absturz einer Jak-42 ums Leben gekommen. Unter den Toten waren auch vier Nachwuchsspieler, die die russische Sbornaja, das Nationalteam, verjüngen sollten. Auch der deutsche Nationalspieler Robert Dietrich befand sich unter den Opfern.

Die Stadt, 300 Kilometer nordöstlich von Moskau, steht unter Schock. Lok war für die Halbmillionenstadt an der Wolga ein Symbol, auf das alle stolz waren, nicht nur die eingefleischten Hockeyfans. Zehntausende gingen am Abend des Unglückstages ins Stadtzentrum und bekundeten ihre Anteilnahme. Vom 9. bis 11. September verhängte die Stadt öffentliche Trauer. Auch die Kontinentale Hockey Liga (KHL) verschob die Punktspiele der neuen Saison auf Mitte kommender Woche. Der Tod der Mannschaft aus Jaroslawl ist für die gesamte Eishockeygemeinde Russlands ein schwerer Verlust. In Ufa sollen es die Fans gewesen sein, die nach Bekanntwerden des Unglücks die Funktionäre zwangen, das laufende Erstligaspiel abzubrechen, berichtete der Moskowskij Komsomolez.

Lokomotive war dreimal Meister, zweimal Vizechampion. Auch in der neuen Saison zählte der Klub zu den Topfavoriten. Wie es mit dem Verein jetzt weitergeht, ist offen. Über sportliche Einzelheiten wolle man aber erst nach Ende der Trauerfeierlichkeiten sprechen.

Fans monieren Überlastung des Flughafens

Kremlchef Dmitri Medwedjew, der zu einem "Internationalen Forum" in Jaroslawl erwartet wurde, forderte die Verantwortlichen auf, den Verein durch einen schnellen Aufbau einer starken Mannschaft zu unterstützen. Viele Loko-Fans hatten am Unglücksabend dem Internationalen Forum, das auch noch in der "Arena 2000" des Vereins stattfindet, die Verantwortung an der Katastrophe zugeschrieben.

Durch den Andrang internationaler Gäste sei der Flughafen überlastet gewesen, behaupteten aufgebrachte Fans. Medwedjew nutzt die jährliche Konferenz, um sich als Modernisierer Russlands zu produzieren und um ausländische Investoren zu werben. Die Dringlichkeit einer Rundumerneuerung der verrotteten Infrastruktur hat das Unglück auf tragische Weise noch einmal deutlich gemacht.

Der Vorsitzende der russischen Eishockey-Föderation, Wladislaw Tretjak, deutete mit tränenerstickter Stimme im Sender Echo Moskwy unmittelbar nach dem Unglück an, dass auch das Nationalteam bislang den Dienst der Unglücksfirma Jak-Service in Anspruch genommen hätte. Der günstige Preis sei ausschlaggebend gewesen. Jetzt werde man auf andere Flugzeuge umsteigen.

Spontan meldeten sich noch am Mittwochabend alle 18 Erstligavereine bei der KHL und boten an, Lokomotive in der laufenden Saison Spitzenspieler des eigenen Teams zur Verfügung zu stellen. "Das ist eine Initiative von unten, niemand hat das orchestriert", meinte Alexander Medwedjew, der Präsident der KHL. Es sollen sich auch viele ehemalige Lok-Profis aus anderen Vereinen und dem Ausland spontan bereiterklärt haben, nach Jaroslawl zurückzukehren. Dem neuen Trainer stünde eine Liste mit 40 bis 45 Spielern zur Verfügung, aus denen er eine neue Mannschaft auswählen könne. Außerdem würden fünf Nachwuchsspieler in die A-Mannschaft wechseln. "Der Klub wird wiederbelebt", sagte Medwedjew.

Das letzte schwere Unglück einer russischen Eishockeymannschaft ereignete sich 1950. Damals kam die gesamte sowjetische Nationalmannschaft beim Anflug auf Swerdlowsk ums Leben. Der Sohn des Diktators Stalin, Wassili, war Manager des Teams. Aus Angst vor dem Vater verschwieg er die Tragödie und stellte über Nacht eine neue Sbornaja zusammen. Der Diktator soll es nicht bemerkt haben.

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