Die Ikea-Frühstücker

STAMMKUNDEN Mit einem Frühstück für 2 Euro 50 zieht das schwedische Möbelhaus der Lokalkonkurrenz die Kunden ab. Manche Gäste kommen regelmäßig. Zu Besuch bei der Ikea-Filiale in Hamburg-Moorfleet

VON MERET MICHEL

Dreimal die Woche fährt Ehepaar Ahrens zum Frühstück zu Ikea in Hamburg-Moorfleet. Sie nehmen immer dasselbe: Den Frühstücksteller für 2 Euro 50 Cent mit je einer Scheibe Käse, Salami und Lachs. Dazu Butter und Marmelade, plus ein Salatblatt. Im Preis inbegriffen sind zwei Brötchen, weiß, und Kaffee, so viel man will.

Seit über zehn Jahren, seit der Eröffnung des Ikea-Hauses im Hamburger Osten, pilgert das Rentnerpärchen aus Lohbrügge zum Frühstück hierher. „Manchmal fahren wir auch zu Höffner in Billstedt“, sagt Frau Ahrens. Die Hauptsache sei, dass sie morgens raus kommen, um nicht den ganzen Tag zu verpassen. „Bei Höffner ist es aber teurer als bei Ikea“, sagt sie. „Und bei Ikea gibt es sogar Lachs.“

Mittwochmorgen, 9.35 Uhr, fünf Minuten nach Türöffnung: Gut dreißig Leute drängen sich dicht im Buffet-Bereich des großräumigen Ikea-Restaurants. Sie schnappen sich Tabletts, greifen sich im Vorbeilaufen Plastikteller mit Brotbeilagen aus der Vitrine: Lachs, Käse, Salami, Salatblatt. Dazu Butter und Marmelade. Rechts der Vitrine steht ein gläserner Kubus mit Broten, um den sich nervöse Kunden drängeln: Ungeübte werden mit Anrempeln bestraft. So, als fürchteten sich die Ikea-Frühstücker davor, ihre Mitesser könnten ihnen die Weißbrötchen vor der Nase wegschnappen.

Das Ehepaar Ahrens sitzt heute alleine an einem Tisch. Es ist immer derselbe: Der dritte vor dem Buffet, direkt neben der Kaffee-Auffüllstation. „Normalerweise ist dieser Tisch voll besetzt“, sagt Herr Ahrens. Das Grüppchen, alles Rentner, hätten sich im Laufe der Jahre kennengelernt. Seither sitzen sie tagein, tagaus am selben Tisch, um zusammen zu essen, Kaffee zu trinken, zu schwatzen: „Über die Gesundheit, die Familie, das Älterwerden.“ Oder: die Brötchen-Qualität bei Ikea.

Denn die weißen Schwämme sind meistens kein Genuss. „Manchmal sind die ganz pampig“, sagt Frau Ahrens. Ihre Tageslaune hänge wesentlich davon ab, ob die Brötchen knusprig sind.

„Die Brötchenqualität lässt zu wünschen übrig“, sagt auch ein Rentner, der auf der anderen Seite des Raumes sitzt, im hellen Teil an der Fensterfront. Er komme einmal im Monat zu Ikea, treffe sich hier mit seinen zwei ehemaligen Arbeitskollegen. „Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt“, sagt er. Außerdem sei er Schweden-Fan und bei Ikea gäbe es auch Lachs zum Frühstück. Um nicht zu vergessen: Kaffee, soviel man will. Und das umsonst.

Schaut man sich in dem weitläufigen Esssaal um, sieht man Familien, Mütter mit Kleinkindern, ältere Freundinnen, jüngere Freundinnen, Handwerker. Karsten und Dennis, zwei massig gebaute Typen, kommen jeden Tag hierher. Zum kleinen Frühstücksteller nehmen sie Rührei, Hackbällchen, Chickenwings. „Oft bleiben wir auch zum Mittagessen“, sagt Karsten. „Dazwischen machen wir dann gerne ein Nickerchen im Bett der Möbelabteilung.“ Die beiden arbeiten selbstständig, sie vertreiben Lampen aus China. „Ob wir arbeiten können, hängt immer von der Auftragslage ab.“ Und wenn die mau ist, lässt sich’s bei Ikea gut aushalten.

Am Fenster sitzt ein türkisches Pärchen. „An einem freien Tag fahren wir gerne zur Ikea, wenn die Kinder in der Schule sind“, sagt der Mann. Das Frühstück verbinden sie dann mit einem anschließendem Bummel durch das Möbelhaus. Irgendwas brauche man immer.

Und es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig. Das Restaurant befindet sich im ersten Stock, direkt über dem Eingang – einfach erreichbar per Rolltreppe. Der Weg ins Freie jedoch führt durch das ganze Ikea-Labyrinth. Nach dem Verlassen des Restaurants kommen als erstes Waschbürsten und Wischer, dann türmen sich Teller, Töpfe, Tupperware, gefolgt von Vorhängen und Türknäufen in Blau, Grün, Gelb, Rot. Die meisten Menschen bummeln in der für Ikea-Besucher typischen Trägheit durch die Regale, bleiben bei Aktionen und Sparangeboten hängen. Fünf Minuten dauert der Zick-Zack-Lauf mindestens. Die Erlösung hält Ikea bei der Kasse bereit: „Nur noch fünf Minuten bis zu den Hot Dogs!“ Danke, gerade gegessen.

Am Ausgang steht Detlef und verkauft das Straßenmagazin Hinz&Kunzt. Er sei jeden Tag hier, sagt er. Frühstücken geht aber nicht. Zu teuer. Im Moment laufe das Geschäft ohnehin schlecht, fünf Zeitungen hat er gestern verkauft.

Die meisten Ikea-Frühstücker kommen bei Detlef gar nicht erst vorbei. Sie kennen ihren Schleichweg. „Sicher laufen wir nicht jeden Tag durch den ganzen Ikea“, sagt Dennis, während er sich durch das Drehkreuz zwängt, das den Restaurantbesuchern den schnellen Weg ins Freie versperrt. Er und Karsten laufen Richtung Eingangstür, noch kurz an die Sonne, bevor sie um 14 Uhr zum Mittagessen wiederkommen. „Man muss sich auch mal einen Tag erholen“, sagt Dennis.