Afghanistan: USA halten Deutschen fest

Seit mehreren Wochen sitzt in Afghanistan ein Deutscher in einer US-Zelle. Er soll Teil der "Hamburger Reisegruppe" sein, die sich 2009 in den Dschihad aufmachte.

Mit diesem Siegel verschloss die Polizei im August die ehemalige Al-Quds-Moschee in Hamburg. Hier trafen sich die jetzt Festgenommenen. Bild: apn

BERLIN taz | Ein deutscher Terrorverdächtiger sitzt seit mehreren Wochen in einer US-Zelle in Afghanistan. "Eine Person deutscher Staatsangehörigkeit wird derzeit von US-Stellen in Afghanistan festgehalten", bestätigte Außenamtssprecher Stefan Bredohl der taz. "Die deutsche Bundesregierung bemüht sich gegenüber der US-Regierung um konsularische Betreuung." Angaben zu den Umständen seiner Festnahme, dem genauen Aufenthaltsort sowie Namen und Alter des Gefangenen wollte das Auswärtige Amt jedoch nicht machen.

Nach taz-Informationen war der Mann Teil der "Hamburger Reisegruppe", die sich im März 2009 in das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet aufgemacht hatte, um sich dort in Terrorcamps ausbilden zu lassen. Laut der Hamburger Innenbehörde hatte sich die Gruppe vor dem Aufbruch in den Dschihad in der ehemaligen Al-Quds-Moschee getroffen. Dort hatten einst schon die Attentäter vom 11. September 2001 gebetet. Vor drei Wochen hat die Hamburger Innenbehörde die Moschee geschlossen und den Trägerverein Taiba verboten.

Von der aus neun Männern und zwei Frauen bestehenden Gruppe war damals einem noch vor der Ausreise in Deutschland der Pass entzogen worden, zwei weitere Männer wurden rasch wieder von Pakistan nach Hamburg zurückgeschickt.

Das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet erreichte hingegen der 25-jährige Deutschsyrer Rami M. Nach zwei Monaten Haft in Pakistan wurde er vergangene Woche nach Deutschland überstellt und sitzt nun in Untersuchungshaft. Ihm wird vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, der Islamischen Bewegung Usbekistan (IBU).

Brisant macht seinen Fall die offene Frage, ob er tatsächlich aus dem Dschihad aussteigen wollte. Der in Frankfurt geborene M. hatte sich mit diesem Wunsch im Juni an die deutsche Botschaft in Islamabad gewandt und um neue Papiere gebeten. Er bekam einen Termin und eine Art Geleitschreiben, auf dem Weg in die pakistanische Hauptstadt wurde er aber nach einem Hinweis des BKA festgenommen und in ein Gefängnis des Geheimdiensts ISI gebracht. Im Innenministerium in Berlin hatte man zuvor Angst vor einem möglichen Anschlag M.s bekommen.

Ein weiteres Mitglied der "Reisegruppe" war der gebürtige Iraner Shahab D. aus Hamburg. Der tauchte am 3. Oktober 2009 als "Abu Askar" in einem Drohvideo der IBU auf - mit einem Schwert in der Hand und einer Kalaschnikow auf den Knien.

Nach taz-Informationen gehörte der "Hamburger Reisegruppe" außerdem Naamen M. an. Der ist der Schwiegersohn von Mohammed al-Fasasi - und hier schließt sich ein Kreis. Dem Prediger Fasasi hatten einst die Attentäter vom 11. September 2001 in der Hamburger Al-Quds-Moschee gelauscht. In seinen Hasspredigten rief Fasasi damals dazu auf, "die Herrschaft der Ungläubigen zu beseitigen, ihre Kinder zu töten, ihre Frauen zu erbeuten und ihre Häuser zu zerstören". Später wurde Fasasi in Marokko als angeblicher geistiger Anstifter der Selbstmordattentate von Casablanca 2003 zu 30 Jahren Haft verurteilt.

Doch im vergangenen Jahr gab es eine erstaunliche Wendung. Aus dem marokkanischen Gefängnis heraus schwor Fasasi in einem Brief an seine in Hamburg lebende Tochter dem Terror ab und lobte die Religionsfreiheit in Deutschland. "Die Ablehnung der Außenpolitik Deutschlands oder anderer Länder muss über friedliche und zivilisierte Standhaftigkeit sowie Kraft der Argumente erfolgen, nicht durch Kugeln, Gewalt und Sprengstoffgürtel", schrieb er. "Dies ändert die Dinge überhaupt nicht, sondern drängt die Muslime weiter an den Rand und verstärkt ihr Image als eine Gruppe von Zurückgebliebenen, die in Höhlen gehören und nicht auf die Straßen von Hamburg, Frankfurt, Berlin und anderen Orten."

Gut möglich, dass Fasasis Brief auch das Ziel hatte, seinen Schwiegersohn Naamen M. zum Ausstieg aus dem Dschihad zu bewegen.

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