47. Grimme-Preisverleihung: Gottschalk zeigt's allen

In Marl wurden die begehrten Fernsehpreise verliehen. Mit dabei: ein überforderter Moderator, ein glänzend aufgelegter Thomas Gottschalk und der Endlich-Sieger Kurt Krömer.

Zampano at work: Laudator Gottschalk mit Rednerpult Krömer und Mikrohalter Weitzel. Bild: dpa

MARL taz | Ganz am Schluss des Abends zeigt Thomas Gottschalk es noch einmal allen. Mit einem großen Schritt erklimmt er von seinem Sitzplatz in der ersten Reihe aus die Bühne des Marler Stadttheaters, wo er vor wenigen Sekunden erst die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschul-Verbandes entgegen genommen hat. Es gehört zu den vielen Schwächen des Moderators Helmar Willi Weitzel – Vorjahrespreisträger für sein KIKA-Format "Willi will's wissen" –, dass er Gottschalk und Volkhochschulverbandspräsidentin Rita Süssmuth überhaupt erst von der Bühne hat gehen lassen.

So einen Lebenswerkpreis bekomme man ja eigentlich dafür, "dass man es hinter sich hat", sagte Gottschalk am Freitag in seiner Dankesrede. Es sieht so aus, als wollte der 60-Jährige durch den direkten Sprung nach oben, zurück auf die Bühne, zeigen, dass weiter mit ihm zu rechnen ist, auch nach dem Abschied von "Wetten, dass ..?" im Sommer. Gottschalk ist noch nicht fertig mit dem deutschen Fernsehen. Und das deutsche Fernsehen – wenn es klüger ist, als es so häufig wirkt – auch noch nicht mit ihm.

Schon mit seiner Dankesrede hat Gottschalk es allen gezeigt. Zunächst mal seinem Kollegen Kurt Krömer – der im Jahr seiner siebten Nominierung zum ersten Mal mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde ("Eine Frage an die Jury: Was war in den letzten sechs Jahren los?") – und Moderator Weitzel, die als Rednerpult bzw. Mikrofonständer zweckentfremdet wurden. Das Publikum im vollbesetzten Stadttheater war von Gottschalks Idee deutlich begeisterter als dessen Opfer.

Kategorie Fiktion:

"Im Angesicht des Verbrechens" (WDR/arte/Degeto/BR/SWR/NDR/ORF). Regie: Dominik Graf (neunter Grimme-Preis!)

"Tatort: Nie wieder frei sein" (BR)

"Neue Vahr Süd" (WDR/RB)

"Keine Angst" (WDR)

"In aller Stille" (BR)

Kategorie Unterhaltung:

"Klimawechsel" (ZDF). Regie: Doris Dörrie

"Krömer - Die internationale Show" (rbb)

Kategorie Information & Kultur

"Aghet - Ein Völkermord" (NDR)

"Iran Elections 2009" (WDR/arte)

"Anwälte - Eine deutsche Geschichte" (WDR/NDR/rbb/arte)

"20xBrandenburg" (rbb)

"DDR Ahoi!" (MDR/NDR)

Wie wenig es braucht, um eine Veranstaltung aus dem Tiefschlaf zu holen – und wie wenige dies beherrschen! Im Handstreich übernahm Gottschalk den Abend, den Weitzel zu keinem Zeitpunkt im Griff hatte. Dass dieser im Angesicht seines Scheiterns versuchte, seine Hilflosigkeit zu ironisieren ("Darf ich noch ne Frage stellen? Ich möchte noch ne Frage stellen"), machte alles nur noch schlimmer.

Zucht von humorreichen Entertainern eingestellt

Aber jetzt war ja Gottschalk da – und zwar bestens vorbereitet. Vom Zettel las er ein flammendes Plädoyer gegen die auch bei den Öffentlich-Rechtlichen um sich greifende Quotenhörigkeit und für ein zuschauerorientiertes Fernsehen ab. Neben seiner gerührten Reaktion auf die Standing Ovations ein Zeichen, dass eine Lebenswerkehrung selbst an einem Gottschalk nicht spurlos vorübergeht.

"Die einzige Instanz, der ihr verpflichtet seid, ist das Publikum", appellierte er an junge Kollegen. Man fragte sich unwillkürlich, wen er dabei im Sinn hatte. Markus Lanz? Marco Schreyl?? Gottschalks Auftritt offenbarte auch einmal mehr, dass er der Letzte seiner Art ist. ARD und ZDF haben die Zucht von ebenso geist- wie humorreichen Entertainern längst eingestellt - von den Privatsendern ganz zu schweigen.

Kein einziger Grimme-Preis ging in diesem Jahr an RTL, Sat.1 oder ProSieben – und die Abwesenheit der Privaten machte all die Qualitätsappelle, von denen dieser Abend so übervoll war wie von Dankesworten (auch hier ließ Weitzel sich andauernd das Mikro und damit das Heft aus der Hand nehmen), noch unerträglicher.

Da ist ein Saal voll mit Menschen, die für das Gute im deutschen Fernsehen stehen (oder zumindest stehen wollen) – und die beklagen den Niedergang ihres Mediums. Manche von ihnen hätten sogar die Macht, sich den viel zitierten "Mut" leisten zu können, Qualität durchzusetzen. Und was passiert? Von Grimme-würdigen Leuchttürmen abgesehen wahrscheinlich wieder mal nichts. Es ist zum Heulen. Diese Leute sind ihr eigener Feind.

Der Autor war Mitglied der Nominierungskommission Unterhaltung beim 47. Grimme-Preis

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