die wahrheit: Embryonale 2010

Eine Wanderausstellung auf Initiative des Bundesfamilienministeriums soll die deutsche Geburtenrate durch atemberaubend spannende Kunst kräftig steigern.

Wo sich Fötus und Familie die Hand geben, ist die Kunst des Gebärens wieder wertvoll. Bild: ap

Deutschland steckt im Geburtentief: Noch nie kamen hierzulande so wenige Kinder auf die Welt wie im Jahr 2009. Rund 651.000 seien es nur gewesen, meldete kürzlich das Statistische Bundesamt. Der Grund ist simpel: Die Zahl der gebärfähigen Frauen im Alter zwischen 15 und 49 Jahren ist allein in den vergangenen vier Jahren um mehr als eine halbe Million gesunken. Die Anzahl der Geburten pro Frau blieb hingegen gleich.

Die selbst kinderlose, aber gebärfähige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ist entsetzt und meint: Schuld ist das schlechte Image der Geburt! Für die meisten Frauen ist Gebären in erster Linie anstrengend, schmerzhaft und langwierig, noch dazu entpuppt sich das Kinderkriegen meist als kostspielig und der Figur abträglich. Mit diesen negativen Ansichten soll nun Schluss sein - dank ungewöhnlicher Maßnahmen.

Auf Initiative des Familienministeriums wurde eine eigene Kunstförderung unter dem Motto "Kunstgeburt" zur Förderung des zeitgenössischen Embryonalismus aufgelegt. Die geförderten Werke sollen dann mit der Wanderausstellung "Embryonale 2010" auf große Deutschlandtour gehen. "So bringen wir die schönen Seiten der Geburt in die letzten gebärfaulen Ecken des Landes und animieren die deutschen Frauen, sich dem Wunder der Niederkunft hinzugeben", sagt der Vorsitzende des Fördergremiums Rolf-Dieter Dünnbier.

Was man angesichts dieser realitätsfernen Einschätzung Dünnbiers leicht für einen absurden Scherz halten könnte, ist leider traurige Realität, die den Steuerzahler viel Geld kostet. 86 Millionen hat der Bund für dieses Projekt genehmigt und verweist auf das enorme Einsparpotenzial, denn schließlich würden so zwei Dinge gleichzeitig gefördert: die Kunst und die Familien. Dass dies von Erfolg gekrönt sein wird, darf bezweifelt werden, vor allem wenn man sich die ersten Förderanträge ansieht.

Der Maler Kasimir Proklov etwa will mit dem Geld eine Serie von Fruchtwasser-Aquarellen erschaffen, die die verschiedenen Stationen der Menschwerdung im Leib zeigen sollen. Zur Kolorierung will er ausschließlich echtes Fruchtwasser verwenden. Er betont: "Jede Fruchtblase ist anders, strahlend in sanften und beruhigenden Farbtönen. Ich will diese Schönheit festhalten."

Ähnlich abstoßend, aber viel anschaulicher dürften die "Plazenta-Plastiken" ausfallen, die Hildmuth P. Bergammer plant. Diese Skulpturen aus Mutterkuchen sollen den vergessenen Teil der Geburt hervorheben und "zeigen, was bleibt, wenn erst einmal die Hitze dem wallenden Körper entwichen ist". Bildhauerin Bergammer plant überdies ein Gemeinschaftsprojekt mit Luis Trenk, der nicht nur durch seinen Künstlernamen, sondern auch mit seinen geflochtenen Nabelschnur-Exponaten in gewissen Kreisen einige Anerkennung erhalten hat.

Mehr Action und Interaktion versprechen weitere, teils schon genehmigte Werke. Darunter die Videoinstallation "Intergalaktischer Eisprung" vom erst 18-jährigen Gregor Zumwill, der damit die Befruchtung im Jahr 3000 anschaulich machen will. Ebenso futuristisch wie eindrucksvoll verspricht die begehbare raumhohe Installation "Die Blase" von Ephraim Grünspan zu werden. Tieffrequente Blubbergeräusche und schwülwarmer Dunst sollen den Besucher zurückversetzen in die Zeit vor seiner eigenen Geburt.

"Diese Projekte sind großartig, und ich freue mich von ganzem Herzen auf die Embryonale", sagt Kunstförderer Rolf-Dieter Dünnbier und verspricht: "Wer nach dieser Ausstellung keine Lust auf Wehen hat, ist entweder total verrückt oder unfruchtbar."

Dabei zeigt die ganze Gebärkunstaktion mehr als deutlich: Es kommen in Deutschland bei weitem nicht zu wenige Menschen zur Welt - es sind einfach nur die falschen.

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