Stärkste Partei bei jungen Schweden: Piratenpartei entert Europaparlament
Dem Streit um PirateBay folgt der Erfolg der Piratenpartei: Mit sieben Prozent und einem Abgeordneten zieht sie ins Europaparlament ein. Bei den Jungerwachsenen ist sie stärkste Partei.
STOCKHOLM taz | Schutz der Integrität in der digitalen Welt und Kampf gegen Internet-Überwachung: Das sind die Themen, die nicht nur Mandate im EU-Parlament bringen, sondern auch müde WählerInnen hinter dem Ofen hervorlocken können. Das bewies am Sonntag in Schweden die Piratenpartei. Sie kam auf 7,1 Prozent der Stimmen und zieht mit einer Person, ihrem Spitzenkandidaten Christian Engström, ins Parlament ein.
Das Antreten der Piratenpartei war laut erster Wahlanalysen auch ein wesentlicher Grund dafür, dass in Schweden dem gesamteuropäischen Trend zuwider die Wahlbeteiligung um sechs auf immerhin 43 Prozent anstieg – so hoch war sie bislang dort noch bei keiner EU-Wahl.
Es waren vor allem Männer, welche für die Piratenpartei stimmten: Ganze 12 Prozent der schwedischen Wähler. Hingegen machten nur 4 Prozent der Frauen bei der Partei mit dem schwarzen Segel ihr Kreuz. Und das hauptsächliche Potential der Piraten lag in der Gruppe der 18 bis 30-jährigen: Hier ist sie sogar mit einem Anteil von 19 Prozent die stärkste aller schwedischen Parteien. Allein die Grünen können in dieser Altersgruppe noch einigermassen mit ihr konkurrieren.
"Die Altparteien haben offenbar keine Ahnung was die junge Generation beschäftigt", kommentierte das der Piratenpartei-Vorsitzende Rick Falkvinge. Tatsächlich holte die Piratenpartei einen Großteil ihrer Stimmen von früheren WählerInnen der etablierten Parteien, die mit deren Haltung in Fragen von Internetkontrolle und Filesharing nicht einverstanden waren.
Diese Themen wurden von den schwedischen Volksparteien offenbar völlig unterschätzt: Im Wahlkampfendspurt versuchten sie zwar noch schnell, die offene Flanke zu schließen. Teilweise stellten Politiker der Volksparteien die von ihnen selbst erst kürzlich verabschiedeten Überwachungsgesetze wieder in Frage. Doch die Wähler nahmen ihnen den Schwenk, wie es scheint, nicht ab.
Das große Plus der Piratenpartei aber war, dass sie auch viele Wähler ansprechen konnten, die sich bislang kaum für die in vorherigen Wahlkämpfen diskutierten Fragen interessierten – und vermutlich auch diesmal nicht zur Wahl gegangen wären. "Viele haben verstanden, dass es nicht reicht, die Faust nur in der Tasche zu ballen, wenn der Staat uns abhört, sondern dass es Zeit ist Stellung zu nehmen", erklärt Rick Falkvinge. Dabei war der Erfolg der Piratenpartei keineswegs ein städtisches Phänomen: Ihre Stimmen verteilen sich gleichmässig über das gesamte Land.
Auf der Wahlparty ging Spitzenkandidat Christian Engström nochmals auf die Hauptkritik gegen an der Piratenpartei ein, nämlich dass diese eine Einfrage-Partei sei – und allenfalls zwei Prozent der Politik abdecke, die im EU-Parlament gemacht werde: "Die angeblichen 'Fullservice-Parteien' setzen ja auch ihre Prioritäten – nur weiss man bei denen vorher nicht, wie sie sich nachher genau entscheiden", erklärte Engström. "Da muss man die Katze im Sack kaufen, bei uns musste man das nicht."
"Wir haben Geschichte geschrieben, wir haben ein Zeichen gesetzt nicht nur für Schweden, sondern auch für Europa", triumphierte Piratenpartei-Vorsitzender Falkvinge. "Ein Parlamentarier macht natürlich nicht den großen Unterschied", versuchte der neue Europaabgeordnete Engström demgegenüber zu hohe Erwartungen gleich etwas zu dämpfen: "Aber ich werde mit den Netzaktivisten aus allen Fraktionen zusammenarbeiten und ich glaube, dass sind nicht zu wenige."
Und er hoffe und glaube natürlich, dass ihm zukünftig auch "Piraten" aus anderen Ländern Gesellschaft leisten werden: "Besonders Frankreich, wo die Copyrightlobby besonders erfolgreich zu sein scheint, wäre ja interessant." Aber auch in Deutschland erhielt die hiesige Piratenpartei nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis immerhin respektable 229.146 Stimmen – das sind 0,9 Prozent.
Ob Engström sich im EU-Parlament der grünen oder der liberalen Parteigruppe anschliessen wird, liess er noch offen.
Leser*innenkommentare
nadine
Gast
Juhuu! mehr davon!! So sieht hoffentlich das Parlament der Zukunft aus: nicht Einheitsbreiparteien die alle möglichen Themenbereiche in jede Richtung abdecken um auch ja jeden Wähler zu erreichen und sich letztendlich an kein stichfestes Programm halten müssen. Sondern eben dies: statt Parteigemeinschaften -die ihren historisch wertvollen Dienst erwiesen haben- Interessengemenschaften wie eben die Piratenpartei. Stellt euch vor es gäbe: Menschenrechtspartei, Atomausstiegspartei, Kontra-Gen-Partei usw. Natürlich darf das Alltagsgeschäft einer Regierung nicht leiden, aber Themen, wichtige Themen könnten auf diesem Wege von der Wählergemeinschaft herausgehoben werden....
Dann würde der Bürger seinen Einfluss spüren, es käme mal politische Bewegung in das Alltagsleben eines jeden!
Oder.....?
Hans
Gast
Die schwedischen Sozialdemokraten haben die Speicherung von Verbindungsdaten in der EU initiert. Die jetzige rechte Regierung ein Gesetz durchgesetzt, das das skannen aller e-mails die die schwedischen Grenzen überschreiten durch eine Behörde ermöglicht. Dazu wurde gerade das IPRED Gesetz verabschiedet. Da bisher Datenschutz viel weniger Beachtung in Schweden als z.B. in Deutschland bekommen hat ist der Erfolg der Piratenpartei ein Zeichen der Piratenwähler das die Politiker in der Stärkung der Position des Staates gegenüber den Bürgern nun zu weit gegangen sind. Grundsätzlich haben die Schweden dank des sog. Öffentlichkeitsprinzips jedoch grosses Vertrauen in den Staat.
Silicon Dawn
Gast
Yeah! Piraten voran in die Parlamente! Look Jens Jessen, Das Internet befindet sich am Scheideweg!
Bertram in Mainz
Gast
Allein die Diskussion, die dadurch ausgelöst wurde, ist die für die Piratenpartei abgegebenen Stimmen wert! In Deutschland wurde wenigstens die für die Wahlkampfkosten-Erstattung wichtige Grenze von 0,5 % übersprungen. Ob man die für die Zulassung zur Bundestagswahl nötigen Unterschriften schafft?
Rolff
Gast
Wer greifft den die meiste "Staatsknete" ab? Doch wohl eher die sogenannten etablierten Parteien. Deren Spitzenvertreter sind dann auch von keinerlei Ahnung getrübt und reden vom Internet wie der Blinde von der Farbe. (Enschuldigung, ich will keinen Blinden beleidugen!)
arki
Gast
Das gute Bildungssystem in Schweden scheint ja zu funktionieren, die junge Generation ist politisch interessiert. Wahrscheinlich ein Grund mehr das in Deutschland am alten Trott festgehalten wird.
Alex S.
Gast
@A.S.Reyntjes
Wer keine Ahnung hat, woraus es zu wählen gilt, derdiedas sollte besser gar nicht wählen gehen und sich bitte auch nicht echauffieren über provokante Namensgebungen. Mit Äusserungen wie Ihrer deklassieren Sie sich selber zum "Stimmvieh" und können all jenen, denen das Kreuz bei der Piratenpartei auf der Seele brannte gestrost gestohlen bleiben. Leute wie Sie sind der Grund, warum ich bisweilen glaube, dass Demokratie einfach nicht funktioniert...
Danke... ;)
Heiko
Gast
Die Piraten sind keine Partei die alleine regieren könnte, aber sie besetzt Themen mit denen alle anderen Parteien hoffnungslos überfordert sind - auch die Grünen. Diese Themen wie Internet, Computertechnik, moderne Kommunikation, Jugendkultur etc. sind aber elementare Bestandteile unseres Lebens geworden. Daher wäre es unbedingt notwendig, wenn die Piraten ein paar Sitze in den Parlamenten bekämen, sonst hört dieses inkompetente Chaos verursacht von Laien nie auf.
Flori
Gast
Mit Verlaub, Herr/Frau Reyntjes, die Piraten sind weder Clowns noch würde ich sie in die rechte Ecke drängen. Es handelt sich hier um eine Bürgerrechtspartei mit Netzaffinität. Es handelt sich also keineswegs um eine Spaßpartei, sondern es werden ernste und wichtige Anliegen verfolgt. Was das mit Clowns zu tun haben soll, erschließt sich mir nicht.
Man sollte nicht vom Namen einer Partei auf deren Inhalte schließen.
Bitte informieren Sie sich etwas genauer, bevor Sie hier unqualifizierte Kommentare abgeben. Selbst aus dem TAZ-Artikel geht hervor, dass "Clown" hier keineswegs zutrifft.
Flo
Gast
@Reyntjes:
Jops genau so siehts aus. Statt die Rechten die Piraten :)
Wäre schön wenn die PP es schaffen würde. Ein wenig Gegenwind mehr könnte Schäuble gut mal gebrauchen.
Gruß aus NRW
Steffi
Gast
@ Von A.S. Reyntjes
dann lieber Piraten als Rechte. Welche Alternativen gibts es denn sonst? Und je mehr Leute kleine Parteien wählen, desto weniger % für die Grossen.
A.S. Reyntjes
Gast
Statt der Rechten... - die Piraten! - Na, danke für solche Erfolge!
Da suchen sich Clowns die Staatsknete!
urlauber
Gast
@jan:
Die Piraten gibt's laut Wikipedia in Schweden seit 2006:
http://de.wikipedia.org/wiki/Piratpartiet
Meik
Gast
@Max: Jeder fängt mal klein an. Und auch wenn sie an der Hürde scheitern bekommen sie immernoch die Wahlfinanzierung, die anderen Parteien davon entsprechend weniger. Aber wir sollten natürlich alles dafür tun, damit sie die Hürde so bald wie möglich schafft.
benjamin
Gast
@Jan 2
Das liegt daran, dass es in Bremen noch keinen Landesverband gibt. Noch! Denn am 26.06. soll er um 19:00 Uhr auf dem Veranstaltungsschiff "De Liefde" gegründet werden. Dann können wir auch endlich die Unterstützerunterschriften sammeln.
Übrigens ist jeder herzlich eingeladen, zur Gründungsversammlung und zu den sonstigen Treffen zu kommen!
Jan 2
Gast
Es fehlt der Antrag für Bremen!?
Max
Gast
Das Problem könnte nur sein, dass, wenn die Piratenpartei nicht über die 5%-Hürde in Deutschland oder den Ländern kommt, die Stimmen ja quasi "gelöscht" werden und im Endeffekt die Politik von CDU-SPD stärken.
Damit könnte jede Stimme für die Piraten im Endeffekt kontraproduktiv sein.
LG
Max
Jan
Gast
Der Rechtsstreit um thepiratebay hat rein gar nichts mit der Piratenpartei zu tun. Die Piraten gibt es seit 1996. Richtig ist, dass Copyrightfragen essentieller Inhalt sind, aber die unmittelbare Verbindung zum Thema 'filesharing' ist weit hergeholt. Populisten.
Elli
Gast
Klasse!
Seht euch mal das Ergebnis für die Piratenpartei in Dresden an. Das macht Mut!
Mihael
Gast
Die Frage ob er sich der grünen oder der liberalen Fraktion anschließt wird sicherlich interessant. Also wenn er opportunistisch ist wird er nicht zu den liberalen gehen. Die haben ja mit Alex Alvaro schon einen Sprecher für Datenschut, der dieses Thema schon lange genauso wie die Piraten vertritt.
fry
Gast
Meiner Meinung nach eine sehr gute Nachricht und bestimmt geht dort und auch hier in Deutschland noch einiges mehr für eine Partei, die sich für die Interessen einer nicht unbedeutenden Wählergruppe einsetzt.
Hierzulande benötigen die Piraten übrigens noch einige Unterschriften für die Teilnahme an der Bundestagswahl im Herbst: http://ich.waehlepiraten.de/ (momentan leicht überlastet)
Ich weiß jedenfalls jetzt schon, bei wem ich dann mein Kreuzchen machen werde.