Wettbewerb um junge Lehrer: Ländle wirbt Ländern die Lehrer ab

Baden-Württemberg lockt mit einer Kampagne Lehrer aus anderen Bundesländern in eigene Schulen. Die Ostländer verlieren den Wettkampf: Sie zahlen bis zu 800 Euro weniger.

Abwerber: Der baden-württembergische Kultusminister Helmut Rau (CDU) lockt Lehrer ins Ländle. Bild: dpa

"Sehr guten Morgen, Frau Lehrerin". "Sehr guten Morgen, Herr Lehrer". Mit diesen Slogans hat Baden-Württemberg am Montag eine Kampagne gestartet, die für Unmut sorgt. Das Ziel: Junglehrerinnen und Junglehrer in anderen Bundesländern anzuwerben.

400 Lehrkräfte fehlen den Baden-Württembergern an den Gymnasien, 200 weitere an den beruflichen Schulen. Vor allem in Physik, Chemie und Mathematik, aber auch in Latein bestehe Bedarf. 375.000 Euro lässt sich das Land die Kampagne kosten. Für Plakate, Zeitungsannoncen und einen Internetfilm, in dem der berühmteste deutsche Paukerfilm verwurstet wird: die "Feuerzangenbowle" mit Heinz Rühmann.

Damit verschärft das Ländle den Abwerbungswettbewerb unter den Bundesländern weiter - zum Ärger der Ostländer und vor allem der klammen Hauptstadt Berlin. Denn neben den Baden-Württembergern buhlen auch Länder wie Hessen und Hamburg um Lehrerinnen und Lehrer aus ganz Deutschland. Im Vergleich zu Berlin, wo Lehrer seit 2004 nur noch Angestellte sind, können sie die Junglehrer mit Verbeamtung locken - und mit bis zu 800 Euro Nettoeinkommen mehr im Monat. Dazu kommt Unterstützung beim Umzug und Wohnungssuche.

Torsten Ulrich, 34, ist einer der Lehrer, die wegen der schlechten Bezahlung nun die Hauptstadt verlassen wollen. Nach Hamburg oder Niedersachsen möchte er abwandern, vielleicht aber auch nach Bayern oder nach Baden-Württemberg. "An meiner Schule gefällt es mir hervorragend", sagt Ulrich über sein Gymnasium im Stadtteil Neukölln. "Aber mit der Bezahlung ist eine Schmerzgrenze erreicht."

Seit gut drei Jahren unterrichtet Ulrich in Berlin. Jungpädagogen wie er verdienen hier bisher lediglich rund 1.700 Euro netto im Monat. Ulrich hat deshalb zusammen mit mehr als 120 Kollegen vor kurzem öffentlichkeitswirksam dem Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) sogenannte Freigabeanträge überreicht. In denen bitten die Junglehrer um das Okay, in anderen Ländern anheuern zu dürfen.

Den Berliner Senat bringt die Abwerbungswelle in arge Bedrängnis, vor allem in Fächern wie Mathematik und Physik fehlen Pädagogen. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) verlangt deshalb, dass sich die Länder auf eine Obergrenze bei der Bezahlung verständigen. "Wenn wir 500 Euro draufpacken, packt der nächste 600 drauf", beschwerte sich Wowereit jüngst. "Wo soll denn die Spirale enden?" Doch nur fünf Bundesländer haben sich bisher für einen gemeinsamen Weg ausgesprochen.

"Die Abwerbekampagnen sind verantwortungslos", sagt auch Marianne Demmer, Schulexpertin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). "Es kann nicht sein, dass die reichen Länder sich nach Bedarf versorgen, während die ärmeren Länder in die Röhre schauen und in den Schulen dort die Lehrer fehlen." Doch manche Nachwuchspädagogen müssen auch das Bundesland gegen ihren Willen verlassen. Eine 28-jährige Lehrerin für Englisch und Französisch, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte, hatte im Herbst ihr Referendariat mit einer 1,0 abgeschlossen. Dennoch konnte ihr die Berliner Senatsverwaltung keine Stelle an einem Gymnasium anbieten, und sich von einer Vertretungsstelle zu anderen zu hangeln, kam für sie nicht in Frage. Die 28-Jährige ist fassungslos. "Erst bezahlt Berlin zwei Jahre meine Ausbildung, und dann bieten sie mir nichts", sagt sie. "Dabei hätte ich die schlechtere Bezahlung in Kauf genommen."

Nun ist die Junglehrerin nach Lübeck umgezogen, seit einer Woche unterrichtet sie an einem Gymnasium in der schleswig-holsteinischen Gemeinde Timmendorfer Strand. Ihr Freund blieb in Berlin. Ein kleiner Trost: Aus ihrem Klassenzimmer kann die Junglehrerin nun direkt aufs Meer schauen.

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