Videos live per Handy ins Web übertragen: Mein kleiner Fernsehsender

Neue Dienste ermöglichen es jedem Internet-User, kostenlos per Handy Live-Videos ins Netz zu senden. Das Fernsehen muss sich warm anziehen - ebenso wie die zuständigen Regulierer.

Die iPhone-Show live ins Netz gesendet: Internetdienst Ustream Bild: Screenshot www.ustream.tv

BERLIN taz Wer bis vor wenigen Jahren im Internet eine Live-Video-Übertragung durchführen wollte, stand vor großen technischen und finanziellen Hürden. So genannte Streaming-Server mussten angeschafft und gemietet werden, hinzu kam die Bestellung und Bezahlung der notwendigen Bandbreite, die sehr teuer werden konnte. Nicht zuletzt scheiterten solche Sendungen dann daran, dass die verfügbare Technik nach einer bestimmten Nutzerzahl einfach "dicht" machte, also keine neuen Zuseher zuließ. Ergo: Das Live-Streaming war im Netz eigentlich nur etwas für Profis. Doch genau das ändert sich jetzt: Mehrere neue Dienste ermöglichen es jedem Nutzer, im Netz selbst zum TV-Sender zu werden.

Die Technik funktioniert bereits erstaunlich gut. Beim letzten großen Auftritt von Apple-Chef Steve Jobs zur Vorstellung des neuen "iPhone 3G", den der IT-Konzern selbst aus Kosten- und Serverlast-Gründen nicht live ins Netz sendete, fand sich gleich ein schlauer Internet-Anwender, der einen der neuen Services dazu nutzte, zumindest das Tonsignal ohne Verzögerung online zu bringen. Die Jobs-Fans freuten sich, hatten sie neben den üblichen Texttickern doch endlich wieder Live-Ton - auch wenn Apple solche Übertragungen eigentlich untersagt.

In diesem Fall wurde der Service "Ustream" verwendet, es hätten aber auch "Mogulus" oder "Qik" sein können. Die Dienste vereint, dass man mit ihnen mit leichtesten Mitteln und auf Knopfdruck auf Sendung gehen kann - mittels Flash-Plugin bei Mogulus und Ustream und bei Qik mit einer Gratis-Software sogar per Handy (Symbian und Windows Mobile). Die Nutzung ist jeweils kostenlos, finanziert durch Werbung; teilweise werden auch professionelle Animationen und Zwischenschnittmaterialien angeboten. Mitmachen kann allerdings noch nicht jeder: Einige der Dienste befinden sich noch in der geschlossenen Beta-Phase, sind also nur auf Einladung verwendbar. Qik, bekannt für seine Mobiltelefon-Aufnahmen, ist seit dieser Woche aber offen für alle neuen Nutzer.

Derzeit werden die Live Streaming-Websites vor allem von Early Adoptern genutzt, also Netzmenschen, die sich stark für neue Technologien interessieren. So zeigte etwa der Web 2.0-Unternehmer Jason Calacanis von der Kamera seines Nokia-Mobiltelefons aus seine erste Fahrt im Elektrorennauto Tesla Roadster. Sobald aber ein großer Anbieter auf den Zug aufspringt, dürfte der Trend auch bei Teens, Twens und älteren Zielgruppen schnell viele Freunde finden. YouTube diskutiert den Aufbau von Streaming-Angeboten laut Aussage eines der Firmengründer bereits seit längerem, technische Kapazitäten hätte die Google-Tochter dafür sicher genug.

Die Möglichkeiten, die sich aus den neuen Live-Diensten ergeben, sind nahezu unbegrenzt. So dürfte es nicht mehr lange dauern, bis erste Augenzeugenberichte mit Hilfe der Technologie an die großen Nachrichtensender gehen - oder aber direkt an Interessierte über die eigene Website. So mancher Medienkonzern muss sich damit auf ganz neue Einfallstore für Urheberrechtsverletzungen einstellen: In Europa gibt es bereits einige Nutzer, die ihre Handy-Kamera mit ins Stadion nehmen, um Spiele der unteren Liegen live mitzufilmen - in ruckeligen Aufnahmen zwar, aber immerhin. Die Bandbreite moderner UMTS-Geräten reicht inzwischen für mehr als nur briefmarkengroße Bilder. An Fernsehqualität kommt sie zwar noch nicht heran, doch steigt die für Übertragungen notwendige Hochlade-Geschwindigkeit ständig. Neue Videokodierverfahren, die die notwendige Bandbreite absenken, helfen zusätzlich.

Ein interessantes Dilemma ergibt sich bei all dem im Zusammenhang mit der deutschen Medienaufsicht. In Bayern geht die zuständige Medienanstalt inzwischen davon aus, dass Live-Streams, die potenziell 500 Nutzer gleichzeitig erreichen können, einer Lizenz bedürfen - Entsprechendes soll auch in den neuen Rundfunkstaatsvertrag aufgenommen werden. Es ist aber kaum vorstellbar, dass ein Nutzer der neuen Streaming-Angebote bei den Landesmedienanstalten vorspricht. Das Internet überholt damit also nicht nur wie so oft die traditionellen Mediengattungen, sondern auch die Regulierer, die stets hinterherhecheln.

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