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GIERGeldanlage-Firma abgetaucht

Im Bunker Muggenburg sollten Edelmetalle für Anleger gelagert werden - nun ist die Firma Crystal, die das Geld treuhänderisch entgegennahm, einfach verschwunden.

Millionen in Dagoberts Gold-Turm - abgetaucht Bild: kawe

Großen Gewinn in kurzer Zeit machen, das war das Versprechen. Im Bremer Bunker "An der Muggenburg" sollte diese Idee sinnbildlich verwirklicht werden. Dort nämlich wollte die Firma Crystal Consultant mit der schönen Adresse "Obernstraße 61-64" Edelmetalle als Gegenwert gegen Geldanlagen einlagern, sozusagen die Alternative zu den Goldbarren im heimischen Schornstein. Mehrfach wurden Anleger durch den Bunker geführt - es lagen wirklich Edelmetall-Haufen da. Auch Kripo und Staatsanwaltschaft waren übrigens mal da. Im Kaufvertrag hatte sich die Firma Crystal verpflichtet, den alten Bunker schick blitzend von außen aufzumotzen - bis Ende 2009.

Wie man sieht ist das nicht passiert. Die Wirtschaftsförder-Gesellschaft hat einen Brief an die Firma Crystal geschrieben und um Auskunft gebeten - die Post kam als unzustellbar zurück. In der "Obernstraße 61-64" war der Firmeneingang nie, es gab einen Hinterhof-Aufgang von der Piperstraße zu drei Büroräumen im fünften Stock - doch der Briefkasten dort ist weg. Auch die Büroräume sind seit einigen Wochen geräumt. Eine neue Firmenadresse ist dort nicht hinterlegt, auf der Webseite steht die tote Adresse.

Anleger haben immer wieder große Probleme gehabt, ihre Einlagen ausgezahlt zu bekommen. Einige Summen wurden bezahlt, ein Heidelberger Anwalt hat für ein Reihe Mandanten verhandelt und wenigstens einen Teil zurückbekommen. Inzwischen kommt die Post zurück.

"Ich habe die Briefe vorsichtshalber auch nach Moorrege geschickt, wo Geschäftsführerin Deborah Gläser privat leben soll", sagt eine Anlagen-Vermittlerin - eine Million Euro hat sie der Crystal anvertraut und seit Wochen keinen Kontakt mehr bekommen zu ihrer Anlage-Firma.

Gegründet wurde die Firma vor Jahren von dem Vater der derzeitigen Geschäftsführerin, Manfred Gläser. Er nennt sich "Henry Isaac Lewy" und erzählt, er sei in Wahrheit der Sohn eines millionenschweren jüdischen Kaufmanns. Im Namen einer "Lewy-Stiftung in Gründung" machte er in Bremen große Sponsoren-Versprechungen. Als die taz damals veröffentlichte, dass "Lewy" in Wahrheit Gläser heißt und jahrelang wegen Anlegerbetruges in großem Umfang in Haft saß, übertrug er die Firma an seine Tochter. Die behauptete, mit ihrem Vater nichts mehr zu tun zu haben. Der Vater war damals von einer verärgerten Geldanlegerin in Casablanca aufgespürt und mit Hilfe eines privaten Sicherheitsmannes der Polizei übergeben worden.

Aber auch aus den alten Zeiten laufen gerichtliche Verfahren, weil Anleger ihr Geld zurückfordern. Gegen "Lewy" selbst ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft: Eine frühere Geschäftsführerin der Consult hat gegenüber der Kripo angegeben, Gläser alias "Lewy" habe sechsstellige Summen aus der Kasse genommen und die Firma damit in Gefahr gebracht. Er hatte über Strohmänner und eine Firma in Casablanca die Firma Crystal gesteuert, obwohl er wegen seiner Verurteilung noch unter "Führungsaufsicht" stand.

Heute lebt Gläser in Bremen. Der Anwalt Andreas Reich, der für eine Anlegerin einen Titel über 10.000 Euro gegen ihn vollstrecken will, erwirkte jüngst einen zivilrechtlichen Haftbefehl.

Dass die Tochter einfach in den Fußstapfen ihres Vaters wandelt, können sich die meisten der enttäuschten Geldanleger nicht vorstellen. "Höhere Mächte" seien da im Spiel, erklärte eine Anlegerin der taz, die Vorgänge seien ihr "unerklärlich".

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