Drama „Leere Netze“ über Iran im Kino: Von der Liebe zum Verbrechen

Zwischen Einfachheit und Größe: „Leere Netze“ ist das Langfilmdebüt des deutsch-iranischen Regisseurs Behrooz Karamizade.

Eine junge Frau mit Schleier sitzt hinter einem jungen Mann auf dem Motorrad

Geheime Liebe: Narges (Sadaf Asgari) und Amir (Hamid Reza Abbasi) in „Leere Netze“ Foto: Port au Prince Pictures

In der linken Hand einen Teller mit Brot und Käse, dreht Amirs Mutter das Gas unter der Pfanne mit dem Abendessen ab, nimmt die Pfanne und trägt sie ins Wohnzimmer. Der Fernseher berichtet von den internationalen Sanktionen gegen den Iran und verweist auf die Folgen: Inflation und Abwertung der iranischen Währung.

Amir schaltet mit der Fernbedienung den Fernseher ab, zögert kurz und sagt seiner Mutter dann, dass er um die Hand von Narges bitten möchte. Amir und Narges treffen sich schon länger, lieben sich und schmieden in der Bauruine eines Hotels am Kaspischen Meer Pläne für die Zukunft.

„Leere Netze“, das Langfilmdebüt des deutschiranischen Regisseurs Behrooz Karami­zade, beginnt mit einer fast märchenhaften Liebesgeschichte. Es war einmal ein junger Mann aus einfachen Verhältnissen, der sich in eine Prinzessin verliebte … Während Amir (Hamid Reza Abbasi) aus einfachen Verhältnissen kommt, seine Mutter verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von selbstgemachten Lebensmittelkonserven in der Nachbarschaft, stammt Narges (Sadaf Asgari) aus einer gutbürgerlichen Familie.

„Leere Netze“. Regie: Behrooz Karamizade. Mit Hamid Reza Abbasi, Sadaf Asgari u. a. Deutschland/Iran 2023, 101 Min.

Ihre Liebe zueinander ist eine Traumblase, die zu platzen droht, als Amir seinen Job bei einem Caterer verliert, weil er seinem Chef widerspricht. Jede Aussicht darauf, den traditionell fälligen Brautpreis an Narges’ Familie zahlen zu können, scheint in weite Ferne gerückt. Um den Traum am Leben zu halten, beginnt Amir nach Jobs zu suchen, klappert die Geschäfte der Umgebung ab, reiht sich in eine Menschentraube ein, die um Beschäftigung als Tagelöhner fleht. Schließlich findet er Arbeit in einer Fischerei, weit außerhalb der Stadt.

Langer Weg nach Westdeutschland

Regisseur Behrooz Karami­zade verließ Mitte der 1980er Jahre als Kind mit seiner Familie den Iran und kam über die Sowjetunion und die DDR nach Westdeutschland. Von 2005 bis 2013 studierte er an der Kunsthochschule Kassel Filmregie. Mit seinem Kurzspielfilm „Bahar im Wunderland“ von 2013 über die Flucht eines jungen Mädchens aus Syrien war er auf zahlreichen Festivals vertreten.

Karamizades Film zeugt einmal mehr vom Überfluss hervorragender Filmemacher im Iran

„Leere Netze“ entstand als deutsch-iranische Koproduktion. Der Film feierte letzten Juni beim Filmfest München Deutschlandpremiere, bevor er im Monat darauf seine internationale Premiere beim Filmfestival in Karlovy Vary hatte, wo er mit dem Sonderpreis der Jury ausgezeichnet wurde.

Amir findet recht schnell heraus, dass der Besitzer der Fischerei neben dem offiziellen Teil der Arbeit zusätzlich nachts illegal Fischen geht, vor allem um Restaurants und wohlhabende Kunden mit Kaviar zu versorgen. Um möglichst schnell möglichst viel Geld zu verdienen, versucht Amir, auch Teil dieser illegalen Fahrten zu werden. Das gelingt ihm zwar, sein Anteil bleibt jedoch klein.

Nach einiger Zeit stellt sich heraus, dass Omid, mit dem er sich ein Zimmer teilt, in Wahrheit Journalist ist. Von der Polizei gesucht, hat er den Besitzer der Fischerei gebeten, ihn gegen Geld über das Kaspische Meer nach Aserbaidschan zu fahren. Doch es hat nicht den Anschein, als würde das bald geschehen. Nach einigem Zögern stimmt er trotz seiner Bedenken wegen der stürmischen See zu, Omid selbst über das Meer zu fahren. Der Versuch geht schief und Omid ertrinkt.

Hervorragende Filmemacher

Karamizade hat seinen Film mit einem weitgehend iranischen Team realisiert. In dieser Hinsicht zeugt der Film einmal mehr vom Überfluss hervorragender Filmemacher im Iran. Vor allem Kameramann Ashkan Ashkani, der bereits bei Mohammad Rasoulofs Gewinner des Goldenen Bären 2020 „Doch das Böse gibt es nicht“ und bei Reza Dormishians „Lantouri“ (2016) für die Bildgestaltung verantwortlich war, prägt den Film nachhaltig.

Während die Protagonist_innen des Films eher unauffällig bleiben, prägt Ashkani „Leere Netze“ mit Einstellungen, die die einfache Handlung in Bewegung halten und ihr zugleich Größe verleihen.

Es ist genau dieser Zwiespalt zwischen Einfachheit und Größe, der „Leere Netze“ auch insgesamt prägt. Einerseits verleiht die einfache, stellenweise märchenhafte Handlung, die Reduktion auf die wenigen Figuren dem Film eine schlichte Schönheit, andererseits ist diese bisweilen kurz davor, in eine allzu schlichte Universalität zu kippen.

So bleiben die konkreten Ursachen für die Perspektivlosigkeit jenseits des eingangs zitierten Fernsehbeitrags über die Sanktionen gegen die Regierung im Iran im Unklaren, hier erweist es sich als Fehlentscheidung, dass der Film sich auf Amir konzentriert und über seine Geschichte Narges in der zweiten Hälfte des Films weitgehend aus den Augen verliert.

Trotz dieser Schwächen ist „Leere Netze“ ein eindrucksvoller Film über die Perspektivlosigkeit, die das Leben junger Erwachsener im Iran schon prägte, bevor das Regime nach dem Mord seiner Schergen an Jina Mahsa Amini seine Gewalt noch einmal eskalierte.

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