Strategien für besseren Kimaschutz: Ist das Paris-Abkommen verloren?

2023 war in Deutschland ein schlimmes Jahr für den Menschenschutz, wie die Stabilisierung des Klimas eigentlich heißen sollte. Was jetzt nötig ist.

Blick auf die Sonne durch die Gläser einer Sonnenbrille, die jemand in der Hand hält

„Nur globale Nullemission stoppt die Erderhitzung“

„Können wir mal aufhören, so zu tun, also ob die Dinge wie durch ein Wunder besser werden“, sagt Jonathan Franzen, „und zugeben, dass mit großer Wahrscheinlichkeit die Dinge ganz schnell viel schlechter werden?“ Franzen ist nicht nur ein großer Gegenwartsschriftsteller, er hat sich auch intensiv inhaltlich mit dem Klimawandel beschäftigt.

In der neuen Ausgabe des Magazins taz FUTURZWEI (Titel: „Verbrauchte Ziele“) erscheint ein Gespräch, das ich mit Franzen geführt habe. Darin kommt er zu dem Schluss, dass das Pariser Abkommen – möglichst 1,5 Grad, auf keinen Fall über 2 – verloren ist. Das könnte tatsächlich der größte Elefant im Raum sein, über den wir sprechen müssen.

1,5 Grad wärmer als vor der fossilen Indus­trialisierung hätte bedeutet, dass die Erderhitzung für einige Gegenden schlimm wird, aber für den überwiegenden Teil wohl erträglich. Das hätten wir mit überschaubarem Aufwand schaffen können – wenn die Weltgesellschaft rechtzeitig eine politische Lösung gefunden hätte. Haben wir aber nicht.

2023 war in der Bundesrepublik ein besonders schlimmes Jahr für den Menschenschutz, der fälschlich Klimaschutz genannt wird. Weil nach all den verlorenen Jahren die postfossile Wirtschaft und Gesellschaft endlich konkret angegangen werden sollte – und von diversen strategischen, politischen und kulturellen Lobbys innerhalb und außerhalb der Bundesregierung brutalst gestoppt wurde.

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Nicht das große Narrativ ausblenden

In einem Jahr, indem die klimawandelbedingten Katastrophen die offensichtliche Begründung für Intensivierung von postfossiler Zukunftspolitik hätten sein müssen, entstand bei zu vielen Leuten und Medien der Eindruck, die Apokalypse sei eine hundsgewöhnliche Gesetzesreform zur Senkung der Emissionen im Gebäudebereich.

Man kann am Wirtschafts- und Klimaministerium einiges kritisieren, aber darf damit nicht das große Narrativ ausblenden; dass diejenigen, die keine postfossile Zukunft wollen oder können, sowieso alles getan hätten, um sie zu verhindern und dass sie auch dieses Mal wieder die besseren und geileren Geschichten erzählten. Ich meine: Vizekanzler Habeck marschiert in deinen Keller und reißt dir deine Heizung raus! Das ist so stulle, dass es brutal wirkt.

Nun stellt sich die Frage, wie man mit der Weltklimakonferenz COP 28 in Dubai umgeht. Als unpolitischer Besserwisser kann man routiniert brummen, dass da ja „doch wieder nichts raus kommt“. Als differenzierter Politikchecker mit Zweckoptimismus muss man sagen, es sei wichtig, dass die Weltgesellschaft miteinander spricht und ringt, inklusive all jener, die andere Interessen, Werte und Ziele haben als wir.

Mit „wir“ meine ich den liberaldemokratischen Westen. Falls es überhaupt gehen sollte, dann definitiv nicht ohne die – aus unserer Sicht – Arschlöcher. Nur globale Nullemission stoppt die Erderhitzung. Solange jemand irgendwo noch Kohle, Gas und Öl verbrennt, wird es heißer. Es braucht einen globalen Deal, mit dem möglichst viele – im Sinne des Wortes – leben können.

Infrastruktur, um die Zukunft zu bewältigen

Gleichzeitig aber – das ist das Neue – sollten wir Jonathan Franzen folgen und schleunigst einen realpolitischen Umgang mit den sich bereits vollziehenden Folgen finden, also Dürren, Überschwemmungen, Feuer, Ernteausfälle, Energie als Waffe, unbewohnbare Gegenden und Menschen auf der Flucht (zu uns). Wir brauchen eine politische, kulturelle und mentale Infrastruktur, um die Zukunft einigermaßen managen zu können.

Dafür müssen wir eine Mehrheit der Verschiedenen gewinnen, die das Zeitalter des „Tempolimit“-Pipifax, der rechtkonservativen Revival-Shows und des Olaf-macht-das-schon-Geredes für beendet erklärt. Das wird nicht einfach, aber genau deshalb ist das doch mal eine echte Aufgabe.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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