Kinotipp der Woche: Kurz mal abschalten

Widerständiges Schlafen, Ethik des Filmemachens: Das Interfilm Festival feiert den Kurzfilm. Nebenbei tritt das Publikum zum Synchronkaraoke an.

Zwei Frauen in Dienstuniform sitzen mit den Köpfen aneinandergelehnt vor eine Wan. Auf der Wand steht in großen Buchstaben "Japanese Zen Spa". Sie schlafen.

Schlafen ist auch Arbeit: „Powernapper's Paradise“ (R: Samir Arabzadeh, Sweden 2022) Foto: Interfilm

Selig schläft der Wachmann vor der Tür, während er auf der Tonspur von seiner Wahrnehmung im Schlaf berichtet. Regisseur Samir Arabzadeh ist 2009 aus Schweden in die Philippinen übersiedelt. Eines der ersten Dinge, die ihm auffielen, war, dass viele Menschen auf der Arbeit schlafen. „Warum schlafen alle? Warum bin ich wach?“ Arabzadehs Kurzdokumentation „Powernapper's Paradise“ geht Fragen nach, die sich der Regisseur angesichts dieses Phänomens stellt.

Der Film zeigt Menschen an Blumen- und Snackständen, im Büro und in Nähereien und befragt sie zu ihren Vorlieben beim Dösen und der Akzeptanz der Erholungspausen. Die Kommentare reichen von Verweisen auf die Tradition der Siesta als Relikt der spanischen Kolonisierung bis zur Deutung als alltägliche Widerständigkeit: „Wenn ich 10 Pesos pro Stunde bekomme, arbeite ich auch nur für zehn Pesos, also höchstens für eine halbe Stunde.“ „Powernapper's Paradise“ eröffnet ausgehend von einem alltäglichen Phänomen einen Einblick in Arbeitskulturen, die den Fokus auf Unterschiedliche Konzepte richtet.

Arabzadehs Film ist Teil des Dokumentarfilmwettbewerbs der diesjährigen, 39. Ausgabe des Kurzfilmfestivals Interfilm. In sechs Kinos und an einer Handvoll sonstiger Spielorte zeigt das Festival ab Dienstag, den 14. 11., in über 50 Programmen mehr als 300 Kurzfilme.

INTERFILM, 39. Internationales Kurzfilmfestival Berlin, 14.–19. 11.

KUKI Festival, 12.–19. 11., verschiedene Spielorte

Jeden Freitag ein neuer Kurzfilm auf dem Interfilm YouTube-Kanal

Gleichermaßen interessiert und irritiert guckt eine Familie Bären in die Kamera. Über Jahrzehnte hinweg hat ein Schweizer Amateurfilmer in Kanada und Russland Tieraufnahmen gemacht mit dem Ziel die Aufnahmen zu einem Langfilm zu montieren. Dazu ist es nie gekommen und schließlich hat der Amateurfilmer sein Material der Filmemacherin Morgane Frund überlassen. Beim Sichten stellt Frund fest, dass es neben den Naturaufnahmen unzählige voyeuristische Aufnahmen von Frauen gibt.

Als die Filmemacherin den Amateurfilmer mit der Entdeckung konfrontiert, entschuldigt dieser sich. Eine Entschuldigung, die die Filmemacherin ratlos zurück lässt. „Ich weiß nicht, was ich mit seiner Entschuldigung anfangen soll. Wenn sich jeder Mann auf der Welt für seinen Blick entschuldigen würde, würde das das Problem lösen?“ „Ours“ dokumentiert eine Auseinandersetzung über übergriffige Aufnahmen, männlichen Blick und Ethiken des Filmemachens.

Faschistisch in MeckPomm

Als ihre Tochter krank wird, weiß sich Freya nicht mehr anders zu helfen und bringt ihre Tochter in ein Krankenhaus, ein Tabubruch für die Neonazikommune in Mecklenburg-Vorpommern, in der die Mutter lebt. In kürzester Form ruft Benjamin Kramme in seinem kurzen Spielfilm „Erlkönigin“ die Radikalität faschistischer Siedlungskultur in Erinnerung, die sich in Deutschland etabliert hat.

Auch in der 39. Ausgabe ist Interfilm wieder eine Fundgrube für Zuschauer_innen mit Liebe zum Kurzfilm und eine Möglichkeit zur Bekehrung für alle, die Kurzfilme noch nicht lieben. Längst ist das Festival mehr als reine Plattform für Kurzfilmprogramme. Neben dem Filmprogramm bietet Interfilm Workshops und eine ganze Reihe spielerischer Formate von Synchronkaraoke bis Cine-Bingo.

Und überhaupt: noch bevor Interfilm überhaupt loslegt, hat das Schwesterfestival Kuki, das junge Kurzfilmfestival schon längst begonnen, begeistert Zuschauer_innen ab vier Jahren und begleitet das Festival mit einem Filmbildungsprogramm von dem viele größere Festivals bis heute nur träumen können. Lange Rede, kurzer Sinn. Egal wie alt, wer diese Woche in Berlin ist: auf, auf zu Interfilm und Kuki!

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