„Kein übermäßiges Ungleichgewicht“

Europa Die Bundesregierung rechtfertigt gegenüber Brüssel den deutschen Handelsbilanzüberschuss

BERLIN taz | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Bericht zum „Nationalen Reformprogramm 2017“ beschlossen. Darin weist die Bundesregierung die Kritik der EU-Kommission am deutschen Leistungsbilanzüberschuss zurück. Dieser sei „vor allem das Ergebnis von marktbasierten Angebots- und Nachfrageentscheidungen von Unternehmen und privaten Verbrauchern auf dem Weltmarkt“, schreibt das SPD-geführte Wirtschaftsministerium, das den Bericht verfasst hat. „Sein Anstieg auf die aktuell hohen Werte ist vor allem durch vorübergehende Faktoren begründet, insbesondere durch die niedrigen Ölpreise und die Abwertung des Euro.“

Der Bericht muss von der Bundesregierung jedes Jahr als Antwort auf eine Analyse der EU-Kommission in Brüssel vorgelegt werden. Die EU hatte im Februar – ebenso wie viele internationale Ökonomen – den deutschen Überschuss in der Handelsbilanz kritisiert, der zum ökonomischen Ungleichgewicht in Europa beitrage. Die Kommission stuft einen Überschuss von mehr als 6 Prozent als stabilitätsgefährdend ein. 2015 lag er bei 8,6 Prozent, 2016 sank er leicht auf 8,3 Prozent. Die Bundesregierung erwartet nun in ihrem Bericht für 2017 und 2018 ein weiteres Sinken auf 7,5 und 7,1 Prozent, weil die nominalen Importe stärker als die Exporte zunähmen.

In ihrem Papier verweist die Bundesregierung darauf, dass sie zahlreiche Maßnahmen zur Steigerung der Binnennachfrage ergriffen habe. Dazu gehöre die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns. Ebenso habe die Bundesregierung die Bürger bei der Einkommensteuer um 11 Milliarden Euro entlastet. „Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Kommission, dass der deutsche Leistungsbilanzüberschuss als hoch einzustufen ist, aber kein übermä­ßiges Ungleichgewicht darstellt“, heißt das Fazit der Regierung.

MARTIN REEH

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