Vereint im Zorn gegen Papst Benedikt

In Ägypten folgten vor allem islamistische Gruppen dem Aufruf zum Tag des Zorns wegen der umstrittenen Äußerungen des Papstes zum Islam. In den arabischen Medien sind aber auch zunehmend selbstkritische Stimmen zu vernehmen

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

„Mit unserem Blut und unserer Seele verteidigen wir den Islam“, hieß es auf dem großen Banner, das beim Freitagsgebet in der Kairoer Azhar-Universität aufgespannt war und das mit dem Logo der Jugend der Muslimbrüderschaft unterzeichnet war. Vor allem islamistische Gruppierungen folgten gestern dem Aufruf zum „Tag des friedlichen Zorns“, den Scheich Yussuf Qaradawi, der bekannteste Fernsehprediger in al-Dschasira TV, als Protest gegen den Papst wegen dessen umstrittener Äußerungen zum Islam proklamiert hatte. „Gott wird für unseren Sieg sorgen“, riefen mehrere hundert Gläubige, die sich nach dem Gebet versammelt hatten.

In einer spontanen Kundgebung wandte sich die Muslimbrüderschaft auf dem Moscheenhof anschließend an die Gläubigen. „Die Papstrede war kein Fehler, sondern ist ein Teil der Kreuzzüge“, verkündete der Chef der Muslimbrüder im ägyptischen Parlament, Muhammad Hilmi. Der Papst habe die Muslime anschließend noch zweimal beleidigt, führte er fort: das erste Mal, als er erklärte, dass die Muslime ihn nicht verstanden hätten. Und das zweite Mal, als er an die Öffentlichkeit ging, um zu sagen, dass es ihm leidtue, die Muslime verärgert zu haben. „Sollen wir jetzt klatschen“, endete er unter Applaus, bevor die Betenden unter den Augen der Polizei friedlich nach Hause gingen.

Die Rede des Papstes wird von vielen Muslimen nicht isoliert betrachtet. „Der Papst gibt US-Präsident George Bush Schützenhilfe, wenn dieser von islamischen Faschismus spricht“, verkündete Fernsehscheich Qaradawi. Auch für Abdel Wahab al-Messiri, einen der bekanntesten islamistischen Intellektuellen Ägyptens, ist der Papst „aus opportunistischen Gründen auf den Wagen des Antiterrors aufgesprungen, um seine Kirche wiederzubeleben“. Araber und Muslime fühlten sich vom Westen unterdrückt, sei es in Afghanistan, dem Irak oder Palästina, glaubt Messiri, der den Siedepunkt fast erreicht sieht. „Die Regime verhindern, dass sich der Ärger gegen den Westen Luft machen kann. Also warten die Leute auf Karikaturen oder Aussprüche des Papstes.“

Es sei eine bittere Realität, dass die Menschen in islamischen Gesellschaften in gescheiterten und korrupten Polizeistaaten, in besetzten oder mit Sanktionen belegten Ländern leben, schreibt Messiri im in Beirut erscheinenden Daily Star. Unter diesen abnormalen Umständen chronischen Stresses, von Spannungen und Entbehrungen werde die Religion zum zentralen Instrument des Schutzes im privaten und öffentlichen Leben.

Aber es finden sich durchaus auch selbstkritische Töne in den arabischen Medien. „Vielleicht sollten wir auch einmal vor unseren eigenen Türe kehren“, fordert die unabhängige ägyptische Zeitung al-Dustour in einem Editorial. Sicher, der Islam werde immer wieder beleidigt, „aber viele unserer Scheichs könnten ebenso angeklagt werden, die Christen immer wieder als Ungläubige zu beschimpfen“, merkt die Zeitung an und fordert einen internationalen Kodex für den gegenseitigen Respekt der Religionen, „zu dem sich besonders die Muslime beispielhaft verhalten müssten“. Auch das überregionale Blatt Scharq al-Aussat reflektiert das Verhalten der islamischen Welt. „Wir stellen ein Fünftel der Weltbevölkerung dar, und genauso wie wir Rechte haben, haben wir Pflichten“, heißt es dort und weiter: „Allzu oft werden uns unsere Rechte verweigert, aber genauso drücken wir uns davor, uns unseren Pflichten zu stellen. Wir wollen keine Angst vor dem Rest der Welt haben und wir wollen dem Rest der Welt auch keine Angst einjagen.“