„Das sind nicht nur taktische Spielchen“

Nach dem zweiten Vorgespräch ist das Projekt einer schwarz-grünen Koalition in Baden-Württemberg nicht vom Tisch

STUTTGART taz ■ Im Josef-Schofer-Saal im ersten Stock des baden-württenbergischen Landtags war gestern Vormittag für sieben Personen gedeckt, Kaffee für alle, in der Tischmitte ein Gemeinschaftskorb mit Salzbrezeln. Ministerpräsident Günther Oettinger kam kurz nach elf Uhr als Erster, bestens gelaunt, strahlend.

Seit über einer Woche, hieß es, sei er schon so. Er gehe nicht mehr, sondern federe, hüpfe fast durch die Hallen. Mehr als ein geschmettertes „Guten Morgen!“ war ihm und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Stefan Mappus allerdings vor diesem zweiten Treffen nach der Landtagswahl mit den Grünen nicht zu entlocken. Stattdessen bot er Gebäck an. Die grüne Delegation mit Fraktionschef Winfried Kretschmann und den Landesvorständen Andreas Braun und Petra Selg war nur wenig redseliger.

Vor der Tür rätselten die Wartenden, ob Baden-Württemberg demnächst als erstes Bundesland schwarz-grün regiert wird. Das Staatstheater nebenan diente als Orakel. Dort wirbt das Ballett für „Der Widerspenstigen Zähmung“, das Theater gibt „Gefährliche Liebschaften“.

Als sich die Tür pünktlich nach 90 Minuten Gesprächsdauer wieder öffnete, wurde auch niemand schlauer. Oettinger eilte mit einem fröhlichen „Grüß Gott!“ zu seinem Statement-Standort neben der halbabstrakten Bronzeplastik im Landtagsfoyer. Die zeigt Ross und Reiter und heißt „Il miracolo“. Dort verkündete er, dass die Zusammenkünfte bisher weder Sondierungs- oder gar Koalitions-, sondern nur „informelle Gespräche“ gewesen seien. Diese seien allerdings „sehr kontruktiv und ernst“ verlaufen.

Bei allen landespolitischen Themen, Verkehr, Finanzen, Bildung, Integration, Kernkraft, habe man Gemeinsamkeiten und Unterschiede abgeklopft. Selbstverständlich sei auch über Kompromissmöglichkeiten geredet worden. Die Ergebnisse werde er der CDU-Fraktion und den Parteigremien vortragen und dabei auch seine persönliche Meinung kundtun. Er wolle ein „klares Votum“: „Nach den Gesprächen kommt eine Weggabelung und eine Entschscheidung.“

Winfried Kretschmann stand gelassen neben Oettinger und wiederholte dessen Formel von der „konstruktiven, ernsten Atmosphäre“. Man habe keine „Höflichkeitsfloskeln“, sondern Inhalte ausgetauscht und sei „teilweise sogar sehr konkret geworden“. Nun müsse seine Partei entscheiden, ob Sondierungsgespräche aufgenommen oder aber die Verhandlungen abgebrochen werden. Kretschmann hatte zuvor betont, er wisse selbst nicht, wie alles ausgehen werde: „Ich spiele kein Lotto.“ Und: „Wir sind kompromissfähig.“

Die Spitze der baden-württembergischen CDU reagierte nach dem Treffen offensichtlich mäßig begeistert. „Man braucht gewichtige Gründe, um zu erklären, warum man die erfolgreiche Koalition mit der FDP aufgibt“, sagte ein Präsidiumsmitglied nach einer Telefonschaltkonferenz. Allerdings habe das Präsidium auch nicht kategorisch Nein zu Schwarz-Grün gesagt. Wie dies alles dem bisherigen Koalitionspartner FDP gefalle, beantwortete Oettinger gestern nicht. Jedenfalls seien mit den Liberalen keine Sondierungsgespräche nötig, denn „wir kennen uns ja bereits seit zehn Jahren“, sagte er.

Die FDP nimmt die Gespräche von Union und Grünen offenbar durchaus ernst. Das seien „nicht nur taktische Spielchen“, sagte FDP-Spitzenkandidat Ulrich Goll. Der Landesjustizminister ließ sich sogar auf eine Prognose ein: Für die Neuauflage von Schwarz-Gelb in Baden-Württemberg stünden die Chancen derzeit 70 zu 30.

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