Doppelte Unsicherheit

Rot Weiß Essen kämpft in der zweiten Fußball-Bundesliga um den Klassenerhalt und für ein neues Stadion

ESSEN taz ■ Jürgen Gelsdorf hat in seiner Laufbahn viel erlebt. Borussia Mönchengladbach rettete der Fußball-Trainer mal vor dem Abstieg, den VfL Bochum führte er in die Bundesliga und in den letzten beiden Spielzeiten gelang dem 52-Jährigen mit dem VfL Osnabrück und Rot-Weiß Essen jeweils der Aufstieg in die Zweite Liga. Seine aktuelle Aufgabe bezeichnet Gelsdorf aber dennoch als „ganz besonders kribbelig“. Mit den Essenern, die am Sonntag bei Eintracht Frankfurt zu Gast sind, kämpft er seit Saisonbeginn gegen den direkten Wiederabstieg. „Was bei uns abgeht, ist ein Tanz auf der Rasierklinge.“

Essen begann die Aufholjagd nach der Winterpause zwar mit fünf Spielen ohne Niederlage, schaffte dabei aber nur einen Sieg und ließ sich zuletzt beim 1:2 gegen Burghausen mit einfachen Mitteln aushebeln. „Diese Pleite tat richtig weh“, sagt Gelsdorf. Er gilt als umgänglicher Typ und vermeidet es, seine Schützlinge öffentlich anzuprangern. Lieber gesteht er eigene Fehler ein. Zum Beispiel, dass er seinen angeschlagenen Kapitän Bjarne Goldbaek gegen Burghausen in die Startaufstellung genommen habe.

Viele Fehler darf sich der frühere Profi (189 Bundesligaspiele für Bayer Leverkusen) nicht mehr erlauben. Der Aufstiegsbonus ist aufgebraucht. Trotz dreier Nachverpflichtungen tritt man sportlich auf der Stelle. Enrico Gaede (Borussia Mönchengladbach), Radoslaw Kaluzny (Bayer Leverkusen) und der Däne Lennart Larson (Viborg FF) sorgten für eine stabilere Defensive, mehr nicht.

„In Frankfurt muss die Mannschaft zeigen, dass sie intakt ist“, sagt Gelsdorf, dem der Vorstand auf einer Krisensitzung am Dienstag erneut den Rücken stärkte. Anders als noch vor vielen Jahren, als mehrere Skandale und Lizenzentzüge den Verein erschütterten, sind die Essener um ihren Vorsitzenden Rolf Hempelmann nicht mehr für Schnellschüsse bekannt. „Wir glauben an Trainer und Mannschaft“, sagt der Sportliche Leiter Frank Kontny mit viel Nachdruck in der Stimme. Schließlich habe man noch vor drei Wochen mit dem MSV Duisburg den Spitzenreiter stürzen können (1:0).

Der Klassenerhalt gilt für den Traditionsclub, der 1955 Deutscher Meister wurde, als elementar. Schon seit zwei Jahren liegen die Pläne zur Komplettmodernisierung des maroden Georg-Melches-Stadions in der Schublade. Die Stadt Essen, bei der Hempelmann als SPD-Bundestagsabgeordneter einen gewissen Einfluss hat, gab bereits unmittelbar nach dem Aufstieg ihre Zusage zur finanziellen Unterstützung. 35.000 Besucher soll die neue Arena fassen. Kostenpunkt: 37,5 Millionen Euro. Alles andere sei nicht zeitgemäß, meint Hempelmann, der signalisierte, dass er mittlerweile einen Sponsor an der Hand habe. Für die Namensrechte würde er sechs Millionen Euro überweisen. Voraussetzung: der Klassenerhalt. Im Mai soll die Entscheidung fallen, ohne Hauptsponsor muss der Umbau wohl abgesagt werden. Momentan verfügen sie in Essen bei einem Schnitt von etwa 12.000 Zuschauern nicht einmal über eine elektronische Anzeigentafel.

Gelsdorf kennt diese Fakten. „Wir müssen die Nerven bewahren“, sagt er fast flehend. „Bei insgesamt elf Partien haben wir noch sechs Heimspiele und somit alle Optionen.“ Er hat halt schon einiges mitgemacht, unter anderem auch fünf vorzeigte Entlassungen. ROLAND LEROI