Herr Hitzfeld, unterschreiben Sie!

DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder hat die Bundestrainersuche zur Chefsache erklärt. Das Problem: Gegen seinen Lieblingskandidaten Christoph Daum gibt es breiten Widerstand aus der Bundesliga. Für sie ist Daum „nicht mehrheitsfähig“

AUS LISSABON MARTIN HÄGELE

Es gibt nun also tatsächlich Diskussionen um den neuen Bundestrainer, obwohl es doch nach fachlichen Kriterien nur eine Formalität sein müsste, Ottmar Hitzfeld nach dem Rücktritt Rudi Völlers als Nachfolger vorzustellen. Als abgemacht gilt: Zwei Jahre vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land braucht der Deutsche Fussball-Bund (DFB) nicht nur einen Mann mit Reputation und Erfahrung, sondern auch einen, den man vorzeigen und der selber integrieren kann. Denn ohne eine konzertierte Aktion der Bundesligaklubs und deren tatkräftige Unterstützung beim Aufbau jener Mannschaft, die den dreimaligen Welt- und Europameister im Sommer 2006 repräsentieren soll, sieht Deutschland einem fussballerischen Unglück entgegen. In diesem Bereich wäre jedenfalls die Lösung mit Christoph Daum, dem Chefcoach des türkischen Meisters Fenerbahce Istanbul, anzusiedeln. Und damit liebäugelt unvermindert Gerhard Mayer-Vorfelder, der Präsident des DFB.

Die beiden sind immer noch Geistesverwandte, und offenbar hat der alte Herr seinem Ziehsohn längst verziehen, dass er ihn nach seiner Berufung zum Bundestrainer im Juli 2000 in der so genannten Kokainaffäre gleich mehrmals belogen hat, weshalb Daums Mentor damals ins Schussfeld der Öffentlichkeit geraten war: Alles vergessen, Schnee von gestern. Ist es der letzte große Versuch des 71-jährigen CDU-Politikers, dem Volk zu zeigen, dass nur er das Sagen hat? Mayer-Vorfelder hat die Nachfolgeregelung über die zwei Mediendirektoren des DFB zur „alleinigen Chefsache“ erklären lassen; Mayer-Vorfelders persönlicher Pressesprecher ließ dann den Luftballon mit Daum steigen: Dieser sei ein hervorragender Trainer, „seine Fehler liegen in anderen Bereichen“.

Nun stehen den Referenten von MV wohl kaum solche öffentlichen Einschätzungen zu, und auch für den Chef selbst wäre es besser gewesen, in dieser Sache erst mal den DFB-Vorstand und die maßgeblichen Herren der Deutschen Fussball-Liga (DFL) in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Schließlich ist der ehemalige Patron des VfB Stuttgart für seine eigenwilligen Trainereinstellungen bzw. -entlassungen berühmt. Nach einem Vierteljahrhundert im Roten Haus von Cannstatt nimmt er auf der „Hire-and-fire-Liste“ der Liga unangefochten den ersten Rang ein. Der Höhepunkt war dabei die Solonummer mit Winfried Schäfer – entgegen allen gut gemeinten Warnungen musste Mayer-Vorfelder den im Schwäbischen nicht vermittelbaren Badener nach wenigen Monaten wieder entlassen. Vor dem momentanen Hintergrund scheint wesentlich interessanter, dass sich Mayer-Vorfelder schon Mitte der Achtziger- und auch Mitte der Neunzigerjahre bereits zweimal mit Ottmar Hitzfeld an einen Tisch gesetzt hat. Und jedes Mal wurde der ehemalige Goalgetter der VfB-Aufstiegsmannschaft von 1977 von Mayer-Vorfelder anschliessend düpiert. Das erste Mal erfand „MV“ die Geschichte, wonach Aaraus Präsident eine Million Ablöse für den jungen Erfolgstrainer verlange; das zweite Mal lancierte der VfB-Funktionär überzogene Gehaltsforderungen Hitzfelds in den Medien. Beide Male hat Hitzfeld die Fäuste in den Taschen geballt, ohnmächtig gegenüber den Intrigen, „weil man sich mit diesem Mann nicht anlegen kann, wenn man im deutschen Fussball nach oben will“.

Diese leidvollen Erfahrungen mit dem Machtmenschen sind ein Grund dafür, dass Hitzfeld, der mittlerweile von Mayer-Vorfelder kontaktiert worden ist, die Chancen für eine Vertragsunterschrift mittlerweile „unter 50 Prozent“ sieht, obwohl er zuvor sein großes Interesse an dem Posten kundgetan hatte. Der Plan von „MV“, im Falle von Hitzfelds Absage in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Daum zu inthronisieren, ist schnell aufgeflogen. Die Bundesliga und alle vernünftigen Stimmen im deutschen Fußball stehen wie eine moralische Phalanx gegen den DFB-Präsidenten sowie dessen Lieblingstrainer. Christoph Schickhardt, der Anwalt von Hitzfeld, glaubt sogar, „dass die DFL den Grundlagenvertrag mit dem DFB aufhebt“, falls Mayer-Vorfelder auf Daum beharrt. Auch Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des mächtigen FC Bayern München, warnte gestern: „Er muss Leute wie Hackmann und Beckenbauer und einige Meinungsmacher der Bundesliga mit einbinden. Mayer-Vorfelder ist gut beraten, das nicht zur Chefsache zu machen.“ Den Kandidaten Daum hält Rummenigge schlichtweg für „nicht mehrheitsfähig“.

Der Posten des Nationaltrainers verträgt keine dubiose Figur; Daum ist nicht nur deshalb ungeeignet, weil er ein ganzes Land für dumm verkauft und belogen hat. Und nicht nur Völler verlangt zu Recht, dass „der Neue unbefleckt im Geschäft“ sein soll. Also, Herr Hitzfeld, unterschreiben Sie!