Lobbyisten unterwegs

Wolfgang Clement (SPD) hat einen neuen Entwurf zum Pressefusionsrecht vorgelegt. Dummerweise ist sogar der Koalitionspartner dagegen – und ausgerechnet die Großverlage sind es offenbar nicht

VON STEFFEN GRIMBERG

Wolfgang Clement kann mal wieder den Dackelblick aufsetzen: Da macht der Bundeswirtschaftsminister in schönster Gründlichkeit seine Hausaufgaben, überarbeitet wie gewünscht den Entwurf zur Neuregelung des besonderen Kartellrechts für die Presse – und dann sind wieder alle dagegen. Der Widerstand verhärtet sich sogar noch – dummerweise auch beim Koalitionspartner. „Ein klares Nein“ beschied Werner Schulz, wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen, gestern den Clement-Vorschlägen beim Medientreffpunkt Mitteldeutschland.

Denn die zweite Fassung des Gesetzes liest sich über weite Strecken wie die erste. Es soll die Vielfalt im deutschen Zeitungsmarkt sichern, andererseits aber den nörgelnden Verlegern entgegenkommen, die mit der Zeitungs- und Werbekrise für größere Einheiten und Zusammenschlüsse argumentieren.

Lediglich ein Punkt des jüngsten Entwurfs dürfte es schon heute tatsächlich bis ins Bundesgesetzblatt schaffen: Anzeigenkooperationen zwischen Zeitungen sollen nun ohne Einschränkungen möglich sein – hiermit können und wollen alle leben.

Kartell auf dem Kopf

Trotzdem will Clement wie bisher unter bestimmten Bedingungen das Kartellrecht auf den Kopf stellen: Verlagsfusionen bis hin zum Monopol sollen erlaubt sein, wenn die davon betroffenen Zeitungen redaktionell unabhängig und mindestens 25 Prozent der Anteile der verkauften Zeitung beim Verkäufer, dem „Altverleger“, bleiben oder an einen Dritten gehen. Dieser behält bestimmte Veto-Rechte hinsichtlich der publizistischen Ausrichtung und der Besetzung der Chefredaktion seines ehemaligen Blattes. Neu ist hieran im Vergleich zum ersten Entwurf nur, dass nicht mehr das Kartellamt oder eine andere Behörde über die Einhaltung dieser Spielregeln wachen soll. Dagegen hatten sich die Verleger unisono gewehrt. Der um sein Veto gebrachte „Altverleger“ kann es jetzt vor Gericht einklagen. „So etwas gibt es in keiner Branche“, so Hartmut Schauerte, Sprecher des einflussreichen CDU-Mittelstands: „Da wird das Kartellrecht komplett ausgehebelt.“

Seine Einlassung ist nicht eben unberechtigt: Die Mehrheit der deutschen Verlage sind Mittelständler. Gerade ihnen setzt die Strukturkrise der Zeitungsbranche am meisten zu. Doch die Diskussion bestimmten von Anfang an die großen Verlagskonzerne wie Holtzbrinck, WAZ und Springer. „Den Druck auf das Thema machen Hombach und Konsorten“, so Schauerte mit Blick auf den WAZ-Geschäftsführer.

Der wiederum saß in Leipzig auf dem ganz hohen Ross: „Ich verstehe diese hysterische Diskussion nicht“, sprach der frühere Kanzleramtsminister, er habe den Eindruck, dass die „Kleinverleger die Debatte etwas gefühlig führen“, und: „Die Verbesserung des Kartellrechts ist gut.“ Logisch, denn dann kann auch die WAZ-Gruppe, die nach geltender Rechtslage kaum noch zukaufen kann, endlich wieder in Deutschland wachsen. Zwar sieht Clements zweiter Wurf eine Missbrauchsklausel vor, die die Bildung solcher Zeitungsketten verhindern soll. Danach gilt die „Altverleger“-Regelung nur für Blätter, deren Werbeeinahmen in drei aufeinander folgenden Jahren rückläufig sind oder deutlich unter dem Branchendurchschnitt liegen (taz!?). Außerdem sollen Einkaufstouren eines Verlages in einer Region verhindert werden. Denn ein Verlag kann die Ausnahme nicht mehrfach in einer Region in Anspruch nehmen.

Doch auch damit kann Hombach leben: „Das ist jetzt konkretisiert, etwas Ähnliches hatten wir eh erwartet.“ Denn wenn alles beim Alten bliebe, würden die Großen eben abwarten, bis den Kleinen von selbst die Luft ausgehe – und „dann rückt der andere Titel ein“. Für die Politik ist das aber parteiübergreifend nicht akzeptabel. Er gehe auch nicht davon aus, dass die zweite Fassung des Entwurfs eins zu eins durchkomme, sagte Hombach. „Es wird noch Veränderungen geben im parlamentarischen Prozess.“

Die Lobbyisten der Großverlage sind längst unterwegs. Denn dummerweise laufen parallel zur Pressekartelldebatte in diesem Jahr zahlreiche Landtagswahlen.