Traumlogik

Die Kunsthalle zeigt eine irritierende Rauminstallation der polnischen Künstlerin Monika Sosnowska

in ihrer Systematik schwer durchschaubare Raumfluchten

Verbotener Abstellraum, Weg zum Klo oder verheißungsvolle Tür in ein fremdes Reich wahrer Kunst? Seit Dienstag ist im ersten Stock der sonst so klar gegliederten Galerie der Gegenwart eine nachhaltige Irritation eingebaut. Schuld daran ist die junge polnische Künstlerin Monika Sosnowska sowie eine Schweizer Versicherungs-AG.

Monika Sosnowskas Arbeit leistet etwas, was mit Architektur, die eigentlich Stabilität assoziieren soll, scheinbar gar nicht zu machen ist: die Lagerung von immerhin zwölf Teilräumen in den nur 4,5 mal 7,9 Metern einer ehemaligen Abstellkammer.

Schon hinter der ersten der zwölf Türen entfleuchen die Besucher dem Quadratwahn des Ungers-Baus, hinein in die in ihrer Systematik schwer durchschaubaren Raumfluchten. Sie können sich in eine Welt verlieren, die, obwohl aus Baumarktteilen ordentlich gebaut, formal und psychoanaltyisch eher der Traumlogik zuzuordnen ist.

Monika Sosnowska, deren Raumsysteme schon auf der Frankfurter Manifesta und den Biennalen in Venedig und Istanbul besonders auffielen, war froh, in dem Hamburger Gebäude einen solchen undefinierten Nebenraum gefunden zu haben, der ihrer Meinung nach „realer“ ist als die übrige, sauber inszenierende Bühne des Museums.

Auch wenn die Künstlerin mit ihren parallelweltlichen Raumkonstruktionen überraschen und mit Details wie Tapeten oder halbhohen Schulflurfarben die Phantasie der Benutzer anregen will, an märchenhafter Verzauberung liegt ihr nichts. So gibt es, anders als beim vor kurzem in der Kunsthalle gezeigten deutschen Wohnungsdekonstruktionskünstler Gregor Schneider, keine Benutzungsspuren und Verweise auf spezielle Geschichten. Im Gegenteil, die an zwei Stellen fehlenden Deckenplatten zeigen im Blick auf die Rohre der Klimaanlage eher sachlich, wie die neuen Räume in schon bestehende eingebaut sind.

Da die Museen sich Ankäufe wie diese vom staatlich zugewiesenen Geld nicht leisten können, sind sie auf andere Wege angewiesen, zu neuer Kunst zu kommen. In diesem Fall geht das so: Jedes Jahr auf der Baseler Kunstmesse prämiert die Baloise Holding zwei Künstlerinnen oder Künstler, kauft deren Werke an und stiftet sie weiter. Die Baseler Auswahljury ist von internationalen Fachleuten besetzt, darunter sind auch die Leiter der später beschenkten Museen: Jan Hoet für das städtische Museum für aktuelle Kunst in Gent und Christoph Heinrich als Leiter der Galerie der Gegenwart der Hamburger Kunsthalle. Das gewährleistet, dass die geschenkten Arbeiten nicht eine aufgesetzte Sammlung in der Sammlung bilden, sondern zum Gesamtkonzept passen.

Mit der neuen Arbeit gibt es nun drei Beispiele für Inszenierungen kompletter Räume in der Kunsthalle: Im Sockelgeschoss befinden sich schon hinter eigenen Türen die eher politisch-erzählerischen Räume „Spätnachrichten“ von Ed Kienholz und „Heilung durch Gemälde“ von Ilya Kabakow.

Monika Sosnowskas Rauminstallation ist übrigens nicht die einzige Arbeit, die durch das Projekt der Baloise Holding in die Kunsthalle kam. Schon zuvor wurden gestiftet: das Gemälde „Abraxas“ von Matthew Ritchie, die Film- und Videoarbeiten „Bantar Gebang“ von Jeroen De Rijke und Willem De Rooij, „Clean Lines“ und „Mister Pickup“ von John Pilson sowie die aufwendige Rauminstallation „The New Republic of St. Kilda“ von Ross Sinclair – Arbeiten, die allerdings nicht immer gezeigt werden können.

Das größte Geschenk aber wurde am Dienstag bei einem Festessen verkündet: Die Baloise verlängert ihr Mäzenatentum im gleichen Modus für fünf weitere Jahre. Hajo Schiff

„Monika Sosnowska – Ohne Titel“, Kunsthalle, Galerie der Gegenwart, 1. Stock; Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr