Der Hafen hat jetzt ausgeschlafen

Sechs Jahre nach der Hafenzuschüttung hat Bremen nun ein Museum vor Ort – als privat betriebene Einrichtung

Klaus Hübotters „Speicher XI“ ist die mit Abstand bisher beste Idee, inklusive Umsetzung, zur Revitalisierung der Bremer Hafenbrachen. Und mit dem Hafenmuseum hat er nun einen allgemein zugänglichen Teil.

Auf einer Mischung von Schotterpisten und jungfräulichen Radwegen erreicht man jetzt eine Einrichtung, deren Genese auf ebenfalls ziemlich durchwachsenen Pfaden vor sich hin stolperte: Der lange gehegte Plan des Focke-Museums, im Bereich des zugeschütteten Übersee-Beckens aktiv zu werden, war im vergangenen Jahr zum wiederholten Mal zu Fall gebracht worden. Berechnungen der „Kultur Management Bremen“ (kmb) zu Folge wären Betriebsmittel in Höhe von 250.000 Euro erforderlich gewesen, was die „wirtschaftliche Stabiblität“ des Focke gefährdet hätte. Auf Grund dieser Einschätzung legte Kultursenator Böse sein Veto ein. Die jetzt von Bauunternehmer Klaus Hübotter realisierte Einrichtung will mit 100.000 Euro jährlich auskommen.

Vom Schaumagazin des Focke-Museums scheint immerhin die Idee zu stammen, einen Teil der Exponate dem Alphabet nach zuordnen. Bei „A“ etwa findet man ein plexiumglastes angebissenes Brötchen, das auf die alten „Anbiethallen“ verweist. Auf den Toiletten wiederum wird man an die Weserburg erinnert: Auch dort verfolgt einen die Kunst bei jedweder Verrichtung. Im Hafenmuseum also wird das Rauschen der Spülung von Radioberichten über den Untergang der „Pamir“ begleitet.

Das Haus bietet zahlreiche familientaugliche Ideen. Man kann an Förderbändern kurbeln und somit die Hafengeschichte als chronologisches Band an sich vorbeiziehen lassen, das gigantische Modell der Getreideanlage bestaunen oder, in Filzpantoffeln, über ein 120 Quadratmeter großes Luftbild schlurfen. Auf dem können nicht nur die Übersee-Nachbarn ihr klein Waller Häuschen suchen, sondern fast alle BremerInnen – so dass allein schon dieses Panorama im besten Sinn als Selbstläufer funktionieren wird. Daneben gibt es kleine Betulichkeiten wie eine definitiv zu niedliche Hörspielversion von Bremens Henne-Ei-Düne-Gründungslegende, aber auch eine gut gemachte Spielecke, wo das sachgerechte Beladen eines kippelig aufgehängten Frachters erprobt werden kann.

Ein großes Thema: die diversen „Weserkorrekschonen“, mit der Leute mit schönen Titeln wie „Strombaudirektor“ auf genervte Reiseberichte wie 1847 im „Courir an der Weser“ zu reagieren hatten: „Schon bei Woltmershausen saßen wir fest.“

Die Geschichtswerkstatt des Waller „Brodelpotts“ bietet im Museum regelmäßig ein „offenes Archiv“ an, inklusive oral history: Die findet vor allem dann statt, wenn Walter Peitsmeyer da ist, der bis 1957 als Matrose, dann noch 39 Jahre als Stauer im Hafen arbeitete.

Wenn’s nicht komisch klänge, könnte man das Hafenmuseum ohne Anführungszeichen als „Volksmuseum“ bezeichnen. Nicht zuletzt, weil ein erheblicher Teil der 1.700 Quadratmeterfläche nochauf Leihgaben wartet. „Wir lösen uns vom klassischen Museumsanspruch“, sagt Kathrin Golka, vor einem halben Jahr als Leiterin eingestellt. Sie weiß, wovon sie sich abgrenzt, schließlich hat die Kunsthistorikerin vor kurzem die sehr gute Rineke Djikstra-Ausstellung des Paula Modersohn-Becker-Museums konzipiert.

Welch Gegensatz zum benachbarten Spacecenter, das trotz anders lautender Absichtserklärungen zum größten Teil aus Science-Fiction-Spektakeln besteht statt aus Authentizitäts-orientierten Erlebnisangeboten. Immerhin: Beide Hafen-Highlights teilen die Technik des „Soft opening“: „Wir werden uns dauernd verändern“, verspricht Golka.

Die Betriebsmittel dafür will Hübotter durch Mieteinnahmen und Sponsoren decken, für das Speicher XI-„Kulturforum“ insgesamt hat das Wirtschaftsressort knapp 2,5 Millionen Euro an Invesitionsmitteln zur Verfügung gestellt. Amtsinhaber Hartmut Perschau fand allerdings weder in seiner Funktion als Kultur- noch als Häfensenator Gelegenheit, der Eröffnung von Bremens erstem Hafenmuseum bei zu wohnen.

Henning Bleyl

Öffnungszeiten: Di - bis So 11 bis 18 Uhr. Kontakt: ☎ (0421) 303 82 79 oder www.speicherelf.de