Dead Man Living

24 Jahre saß Delma Banks im Todestrakt in Texas. Jetzt hat das Oberste Gericht der USA das Todesurteil aufgehoben

Am 14. April 1980 wurde die Leiche des 16 Jahre alten Richard Whitehead in einem Park nahe der Stadt Texarkana in Texas gefunden. Eine Woche später wurde Delma Banks verhaftet und beschuldigt, Whitehead mit drei Schüssen getötet zu haben. Damit war der Teil seines Lebens, über den er selbst hatte bestimmen können, zu Ende. Banks war 21 Jahre alt.

Banks, schwarz, bestritt, mit dem Tod des Jungen, weiß, etwas zu tun zu haben, und beteuerte stets seine Unschuld. Doch die Staatsanwaltschaft bot gewichtige Zeugen auf, deren Aussagen die texanischen Geschworenen – allesamt Weiße, nachdem die Staatsanwaltschaft gegen die vier vorgeschlagenen schwarzen Jurymitglieder Einspruch erhoben hatte – so beeindruckten, dass sie Banks im September 1980 schuldig sprachen und zum Tod verurteilten.

Der eine, Charles Cook, sagte aus, am fraglichen Tag sei Banks bei ihm aufgetaucht, mit Blutspuren an der Kleidung, und habe ihm erzählt, er habe „diesen weißen Jungen getötet, zur Hölle noch mal“. Er habe eine Pistole gehabt und das Auto des Getöteten. Das reichte, um Delma Banks für schuldig zu halten. Der andere, Robert Farr, berichtete weiter, er habe mit Banks zusammen Raubüberfälle geplant, und dafür habe Banks auch die Waffe beschafft, mit der Whitehead ermordet wurde. Das reichte, um Banks, der bis dahin polizeilich nicht aufgefallen war, für insgesamt gemeingefährlich zu halten und ihn zum Tode zu verurteilen. Was die Jury nicht wusste: Die Zeugen logen – unter Eid, mit Wissen von Staatsanwaltschaft und Polizei.

Denn als Cook gefragt wurde, ob er mit den Ermittlungsbehörden vor dem Verhandlungstermin gesprochen habe, verneinte er mehrfach. Falsch: Wie er Jahre später aussagte, hatten ihn die Ermittler in mehreren Sitzungen auf seinen Auftritt im Zeugenstand vorbereitet, seine Aussage genau mit ihm durchgesprochen – und ihm gleichzeitig in Aussicht gestellt, Verfahren gegen ihn wegen Drogendelikten einzustellen. Und Robert Farr, der vor Gericht unter Eid aussagte, er habe keinerlei Kontakte zu den Ermittlungsbehörden, war in Wirklichkeit schon im April 1980 ein bezahlter Polizeiinformant. Er lockte nicht nur Banks selbst in die Falle, bei der er dann verhaftet wurde, sondern all seine Aussagen zielten darauf ab, seinem geheimen Auftraggeber einen Gefallen zu tun. Die Staatsanwaltschaft wusste das alles, sagte nichts und ließ die Meineide geschehen.

All das ist seit Dienstag nicht mehr nur auf den Webseiten von amnesty international oder Organisationen gegen die Todesstrafe nachzulesen, sondern in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, der das Todesurteil aufhob. Der Fall wird nun vor einem anderen Gericht neu aufgerollt. Die Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugen ist dahin. Noch immer kann Delma Banks nicht über sein Leben bestimmen. Aber er ist näher dran als an irgendeinem anderen Zeitpunkt in den vergangenen 24 Jahren. BERND PICKERT