bücher für randgruppen
: Tiere und Menschen

Der Mensch ist das schlimmste Raubtier, erfahren wir in Till Bastians Plädoyer für einen ethischen Umgang mit Tieren. Nach der Lektüre von „Der Mensch und die anderen Tiere“ könnte man glauben, der Mensch sei sogar schlimmer als jede Zecke, die im Gebüsch auf den Wirt lauert, um Nahrung für ihre Brut einzuholen. Da sich dieses Buch aber nun an den Menschen richtet, interessiert natürlich zunächst, wie der Autor mit seinen Lesern umgeht.

Zunächst führt er diese mit Hilfe vieler altbekannter Formeln wie „Der Mensch hält sich für die Krone der Schöpfung“ und einiger Kuriositäten, darunter der vom braunen Hitlerkäfer Anoptalmus hitleri, durch die Welt der Beziehung zwischen Mensch und Tier. Dabei erfährt der verwunderte Leser, dass das Aussterben wild lebender Affen dazu führen könnte, dass affenspezifische Retroviren sich deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach auf neue Wirtsorganismen stürzen müssen, möglicherweise auf den Menschen. Vermutlich ist dieser Gedanke die Gegenreaktion auf den ebenso bizarren Gedanken, dass, wenn erst einmal alle Schleichkatzen oder alle Hühner ausgerottet sind, keine Erkrankungen wie Sars oder die Vogelgrippe mehr die Menschen quälen könnten.

Dazu passt, dass Bastian berichtet, Hühner seien die sexuell am häufigsten missbrauchten Tiere. Ihre Kloake, so der Autor, wäre ohne weiteres in der Lage, einen „Männerpenis aufzunehmen“. Nachfolgend zum Thema Zoophilie taucht denn auch gleich Aids auf. Allerdings dezent in Englisch. Denn was dort aus den Anfängen von Aids und den ersten Infizierten in den USA berichtet wird, von faustfickenden Männern, die sich in Hinterzimmern in sexueller Ekstase mit Fäkalien beschmieren, möchte der Autor sensiblen Lesern in deutschen Worten ersparen. Eigentlich suggeriert Bastian damit, dass die Natur dann immer besonders böse zuschlägt, wenn gegen ihre – sagen wir mal – Passgröße verstoßen wird. Also Aids hier mal nicht als die Strafe Gottes, wie so mancher bibeltreue Christ glaubt, sondern die Strafe der geschundenen Natur, also allzu gedehnter Muskulatur.

Immer und immer wieder führt Till Bastian die Leser in die Niederungen menschlicher Abgründe, berichtet von den Abscheulichkeiten, zu denen Menschen fähig sind – vom Massaker bei der Eroberung Jerusalems im Jahr 1099 bis hin zum Konzentrationslager. Ja, die wölfische Gruppendynamik kenne dagegen keine KZs. Diese seien Konsequenz unserer menschlichen Intelligenz, unserer Kultur, nicht „Ausdruck des Tieres in uns“. Und Bastians Plädoyer beginnt endlich zu wirken. Es beginnt ganz fürchterlich zu nerven. Rettung bringt der Wolf, der „tierhafte Doppelgänger“. Denn unsere Todfeindschaft mit ihm, so Bastian, käme ja nur daher, dass der Mensch – womit wohl eigentlich der Mann gemeint ist – sich ihm so ähnlich fühle. Der Leser wird schließlich feststellen, dass das glückselige Tierreich sich hier vor allem als traumhafte Projektionsfläche des an seiner eigenen Männlichkeit zweifelnden Endlösungsmystikers findet.

Aber letztlich ahnt dieser zumindest, dass Mutter Natur nicht so ganz dazu taugt, dem ganzen Mansch (gleich Mann/Mensch) einen Spiegel seiner Bosheit und Arroganz vorzuhalten. So erwähnt Bastian, dass der hoch spezialisierte Ameisenstaat keine Kriegsdienstverweigerer kenne. Er spricht aber nicht vom Löwen, der die süßen Jungen seiner neuen Löwin erst einmal umbringt, bevor er sie erneut schwängert. Oder von der weiblichen Spinne, die ihren Partner nach dem Koitus einfach verzehrt, oder auch vom Kuckuck, der brutal seine Geschwister umbringt. Damit ließe sich nämlich ebenfalls ein pralles, überflüssiges Buch füllen: Tausend gute Gründe, Tiere und Pflanzen zu hassen und endgültig auszurotten.

WOLFGANG MÜLLER

Till Bastian: „Der Mensch und die anderen Tiere“. Pendo Verlag, Zürich 2003, 232 Seiten, 22,90 Euro