Sibyllinischer Schritt zur Seite

Eichingers Wille und der öffentliche Beitrag: Der Ausschuss für Kultur und Medien tagt – über die Frage, ob eine neue Filmakademie künftig den Bundesfilmpreis vergeben soll

Sind sie miteinander vereinbar, die tyrannischen Kommunikationsformen der Filmproduktion und die demokratisch-bürokratischen der politischen Entscheidungsfindung? Nicht wirklich. Das zeigte sich am Montagnachmittag, als der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien Sachverständige zum Thema „Initiative der Filmwirtschaft, eine Filmakademie einzurichten“ befragte. Dabei ging es weniger um Argumente für oder wider eine solche Akademie. Deren Gründung schließlich steht den Initiatoren, allen voran dem Münchner Produzenten Bernd Eichinger, jederzeit frei, und nichts spricht dagegen, dass ein Zusammenschluss aller Filmschaffenden, wie man ihn aus anderen europäischen Ländern kennt, dem Film und der Branche zugute kommt. Die heikle Frage ist vielmehr: Wer richtet den Bundesfilmpreis aus, sobald sich die Akademie gegründet hat?

Die Akademie natürlich, sagt Eichinger. Eine „Gegenveranstaltung zum Filmpreis“ komme für ihn nicht in Frage. Das entspricht dem Prozedere in anderen europäischen Ländern – mit dem Unterschied, dass die Preise dort mit Renommee statt mit Steuergeldern dotiert sind. Der Bundesfilmpreis hingegen ist ein Instrument staatlicher Filmförderung. Die insgesamt knapp drei Millionen Euro betragende Preissumme dient dazu, dass die Ausgezeichneten ihr nächstes Projekt in Angriff nehmen können. Bisher ist für die Vergabe eine vom Bundesministerium für Kultur eingesetzte Jury verantwortlich. Wie kürzlich die vielen Lolas für „Good Bye, Lenin!“ gezeigt haben, ist das keine Garantie für kontroverse Entscheidungen, gewährleistet aber doch, dass öffentliche Gelder in öffentlicher Hand bleiben.

Geht es nach Eichingers Willen, so werden in Zukunft die Mitglieder der Akademie die Auswahl treffen, und zwar in einem dreistufigen Verfahren, das, so will es die am Montag erstmals öffentlich vorgestellte Akademie-Satzung, folgendermaßen aussieht: In den ersten beiden Schritten entscheiden die Vertreter der jeweiligen Berufsgruppen über die Nominierung von besten Einzelleistungen. Die Kameraleute zum Beispiel nominieren vier bis sechs Filme, die für den Preis für die beste Kameraführung in Frage kommen, die Regisseure tun dasselbe mit Filmen, deren Regie sie beeindruckt hat, die Produzenten ihrerseits wählen die Filme aus, die um den Preis des besten Filmes konkurrieren sollen. Im Anschluss daran stimmen alle Mitglieder – 2.500 sollen es werden – über die nominierten Filme ab.

Die Mehrheit der in die Ausschussrunde bestellten Sachverständigen scheint dieses Modell gutzuheißen. Der Regisseur Andreas Dresen zum Beispiel hält es für unwahrscheinlich, dass die Preisvergabe, sollte sie durch die Akademie erfolgen, den experimentellen und den künstlerischen Film ausschließen würde. „Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.“ Und auch Dieter Kosslick, der Leiter der Berlinale, freut sich über die „Erweiterung des demokratischen Vorgangs“. Doch die Skepsis der Kritiker räumen sie nicht aus, und auch die Abgeordneten, gleich welcher Partei, bleiben zögerlich. Was auch daran liegt, dass Eichinger und seine Mitstreiter ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben: Weder lag die Satzung vor dem Montagstermin zur Lektüre vor, noch haben sie den Fragenkatalog der Abgeordneten schriftlich beantwortet. Diese Details stören nicht nur Eckhardt Barthel von der SPD; sie künden zudem von einer gewissen Arroganz seitens der Akademie-Gründer in spe.

Und Christina Weiss? Sie bleibt sibyllinisch wie gewohnt. Einerseits spricht sie sich für die Akademie aus, andererseits sagt sie: „Es ist keine heilige Ehe.“ Man könne ja mal schauen, wie sich die Akademie bei der Vergabe des Filmpreises anstelle. Bei Nichtgefallen mache man’s dann wieder wie bisher. Und warum eigentlich braucht es das Preisgeld, wenn das Renommee auch etwas hermacht? Die Akademie könnte doch einen undotierten Preis vergeben, während das Ministerium die drei Millionen Euro auf die Förderung kleiner, sperriger Filme verwendet.

Beim informellen Gespräch am Kaffeehaustisch wurde die Strategie der Ministerin als Tai-Chi in Vollendung bezeichnet. Offen, so die Spekulation, wird sich die Bundeskulturministerin Eichinger nicht in den Weg stellen. Daher tritt sie einfach einen Schritt zur Seite. So ist noch jeder vor die Wand gelaufen.

CRISTINA NORD