Der Arbeitstag geht, Brian kommt

Er trägt einfach eine Jeans, ein T-Shirt und ein Lächeln im Gesicht: Brian Adams, der nette Rocker von nebenan, tobt und schreit für uns alle. Am Wochenende war er in Berlin auf der Bühne und tat alles, was er tat, nur für dich und mich

Der Abend geht auf in Begeisterung.Viele werden ihnniemals vergessen

Wenn die Menschen aus dem Büro kommen in Richtung Abend, wenn sie in die Autos steigen und das Radio anmachen, dann hören sie Brian Adams. Wenn der Tag ein schlimmer gewesen ist, drehen sie ein bisschen lauter. Und es sind Momente wie diese, in denen sich das menschliche Herz mit gerade ebenso viel Rock anfüllt, wie hierzulande noch erlaubt ist.

Das ist kein schlechtes Gefühl. Es kann dazu führen, dass Männer und Frauen mittleren Alters an einem trüben Samstagabend im November ihre Alltagskörper zu Hause lassen, ihre Jeanshemden überziehen und sich in eine Halle eines östlichen Stadtteils von Berlin stellen. Sie gucken auf die Bühne und schnipsen ihre Feuerzeuge an. Der Mann vorne singt: „Everything I do, I do it for you“.

Angefangen hat es in den Siebzigerjahren. Brian Adams war ein Teenager in Kanada. Rockmusiker schien ihm ein guter Beruf. Adams hörte auf, zur Schule zu gehen, kleidete sich fortan in Jeans, festem Schuhwerk und einer Lederjacke, um den Hals hängte er sich eine Elektrogitarre.

Es hat ein bisschen gedauert mit dem Erfolg. Aber spätestens seit den Achtzigern laufen seine Lieder überall: auf der Betriebsfeier, im Radio, aus der Lautsprecheranlage bei Karstadt. Brian Adams gibt Konzerte in großen Hallen und Stadien. Es hat sogar schon Zeiten gegeben, da ist Brian Adams fast jeden Tag im Jahr irgendwo auf einer weiten Bühne dieser Welt gestanden und hat seinen Hit „The Summer of 69“ gesungen.

Er hat die Titelmusik für Qualitätsfilme wie „Robin Hood – König der Diebe“ gemacht, millionenfach wurden seine Platten verkauft. Brian Adams hat es einfach geschafft. Inzwischen sind die Auftritte seltener geworden, die Karriere scheint ins Stocken geraten, er ist jetzt 43 Jahre alt; bei Greenpeace engagiert er sich unter anderem für den Stopp des kommerziellen Walfangs.

Aber wenn Brian Adams dann doch noch einmal auf Deutschlandtournee geht, wenn er sich im Berliner Velodrom mit seiner Gitarre auf die Bühne stellt und mit rauher Stimme ins Mikrofon schreit, wenn er singt und brüllt und tobt – dann singt und tobt er für uns alle. Wie Eric Clapton, Phil Collins oder Bruce Springsteen gehört er längst zu jener Riege der gepflegten Rocker, die es den Menschen seit Jahrzehnten leichter machen, die Verhältnisse der westlichen Welt zu ertragen.

Und wenn missgünstige Musikzeitschriften schreiben: „Während man Bruce Springsteen wenigstens glaubt, dass er in den Außenseiterbezirken der Stadt herumlungert, bleibt Brian Adams mit seiner ordentlichen Lederjacke immer jemand, der einem an einem langen Samstag in der Fußgängerzone mit einer Woolworth-Tragetasche in der Hand begegnen könnte“, dann muss das noch lange nichts Schlechtes heißen.

Nein, Brian Adams ist einfach ein netter Kerl, der die angenehme Höflichkeit besitzt, in einem sympathischen, sauberen Aufzug vor sein Publikum zu treten. Was ist daran verkehrt? Auch an diesem Abend trägt er nichts aufgesetzt Wildes oder Elegantes – nur Jeans, T-Shirt und ein Lächeln im Gesicht. Auch die Texte seiner Musik sind so, sie tun niemandem weh, handeln schlicht von der Liebe.

Zwar springt Adams bei Liedern wie „Here I am“ durchaus böse über die Bühne, winkt dafür aber Minuten später mit einem freundlichen „Come on, Schatzi“ eine blonde Mandy für eine Duettversion von „When you're gone“ zu sich nach vorn. Und das ist es doch, was einen eine lange Werktätigenwoche vergessen macht. Frauen nippen an ihrem Sektglas, fassen ihren Ehemann am Arm.

Die Fans halten Fotoapparate hoch, einige rollen Kanadaflaggen aus. Ein älterer Herr mit Brille und kariertem Hemd hebt die Arme, schreit: „Brian, wir lieben dich.“ Die meisten Konzertbesucher klatschen alle Lieder durch. Der Abend geht auf in einer rauschenden Begeisterung. Viele werden ihn bestimmt niemals vergessen.

Als Zugabe spielt Adams dann „Let’s Twist Again“. Das ist nicht besonders einfallsreich. Das klingt schlechter als das Original. Das hat mit dem von Bands wie The Strokes oder White Stripes angeschobenen, aktuellen Revival von Rock rein gar nichts zu tun. Aber Brian Adams ist mit Engagement und Selbstbewusstsein bei der Sache. Und wer ist das in Zeiten wie diesen schon?

KIRSTEN KÜPPERS