Schuss von hinten

Das Bündnis gegen das Nazihotel in Delmenhorst wittert Verrat: Die Stadt ignoriere die Bürgerwünsche für die weitere Nutzung des Gebäudes. Die Entscheidung sei längst gefallen

VON DANIEL WIESE

Böse Gerüchte gehen um in Delmenhorst. Wieder einmal geht es um das „Hotel am Stadtpark“, aber diesmal ist nicht der Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger der Böse. „Die Gefahr kommt von einer anderen Seite“, schreibt das Bündnis „Keine Nazischule in Delmenhorst“ in einem Flugblatt, das es morgen in der Fußgängerzone verteilen will.

„Die andere Seite“, damit ist SPD-Oberbürgermeister Patrick de La Lanne gemeint. Monatelang hatten SPD und de La Lanne, damals noch Bürgermeister-Kandidat, mit den Delmenhorster Bürgern gegen den Verkauf des Hotels an den Neonazi Jürgen Rieger gekämpft. Die Bürger spendeten damals fast eine Million Euro, nur so konnte die Stadt Rieger überbieten und das Hotel kaufen.

Doch das Bündnis von damals scheint Risse zu bekommen. „Namhafte Lokalpolitiker“ hätten durchblicken lassen, dass über die Zukunft des Hotels schon entschieden sei, sagt Peter Vogel von der Linkspartei. Die Vorschläge, die die Bürger zur weiteren Nutzung des Hotels gemacht hätten, seien zwar von den Behörden aufgenommen worden. „Aber man erkennt sie nicht mehr wieder.“

Die Vorschläge sagen viel darüber aus, wie sich die Bürger von Delmenhorst ihre Stadt wünschten. So könnte das Hotel ein „Symbol des Widerstands“ werden, mit politischen Kursen für Jugendliche über die „Abwehr gegen Rechts“. Oder es würde unten ein Restaurant eingerichtet, und in den fünf Stockwerken gäbe es Angebote für alle Generationen, die alte und die junge. Oder könnte in das Hotel nicht noch besser eine Seniorenwohnanlage kommen, finanziert durch den Verkauf von noch zu bauenden Eigentumswohnungen? Die Senioren würden die „Kaufkraft in die Innenstadt“ bringen, die dort fehle.

„Natürlich kann nicht jeder Einzelvorschlag realisiert werden“, heißt es im Flugblatt des Bündnisses „Keine Nazischule in Delmenhorst“. Es müssten aber alle Vorschläge „ohne Wenn und Aber“ in das Bieterverfahren aufgenommen werden, mit dem die Stadt testen will, ob sich Investoren für die Ideen der Bürger finden lassen.

Ob dies tatsächlich geschieht, ist allerdings zweifelhaft. In einem internen Papier der Delmenhorster Behörden, das dem Stadtrat vorgelegt werden soll, werden die Vorschläge von fünf auf vier geschrumpft und schon einmal nach „harten“ und „weichen“ Tauglichkeitskriterien abgeklopft. Dabei zerrinnen alle Träume von einer Nutzung des Hotels als Jugend-, Bürger- oder auch Seniorenhaus. Chancen haben demnach nur die Vorschläge „Delmenhorster Behörden ziehen ins Hotel“ und „Aus dem Hotel wird wieder ein Hotel“ – mit leicht besseren Aussichten für die Hotellösung.

Dass diese Prüfung stattfinde, sei vom Delmenhorster Rat so beschlossen worden, verteidigt sich der zuständige Bau-Stadtrat Gerd Linderkamp (SPD). Bei so einer Prüfung sei sicherlich ein „subjektiver Faktor“ dabei. Entscheiden werde am Ende aber sowieso der Rat, und der werde die Kritik der Bürger aufnehmen. „Wir begrüßen es, dass sie den politischen Prozess konstruktiv und kritisch begleiten.“

Klar sei, dass die Nutzung des Hotels die Stadt nichts kosten dürfe, sagt Linderkamp. Vieles spricht also für den Verkauf an einen Investor, wie auch dem Bündnis „Keine Nazischule Delmenhorst“ schwant: „Was aber, wenn das von der Stadt Delmenhorst mit Spendengeldern erworbene Hotel wieder verkauft wird – wer profitiert dann von der Investition?“, schreibt das Bündnis in seinem Flugblatt.