Wut auf die Senatorin

SPD gegen SPD im Medikamentenskandal: Vor dem Rechtsausschuss kämpft der gefeuerte Justizstaatssekretär Flügge um sein Ansehen. Im Zielfeld dabei: Justizsenatorin von der Aue

VON PLUTONIA PLARRE

Die kleine, eiserne Justizsenatorin und der beleidigte, geschasste Staatssekretär – das Zusammentreffen von Gisela von der Aue und Christoph Flügge (beide SPD) am Mittwoch im Rechtsausschuss schien für die Opposition ein gefundenes Fressen. Gibt es etwas Besseres, als dass sich zwei Politiker derselben Partei, die zu dem die Regierung stellt, öffentlich filetieren? Auch die Journalisten zückten erwartungsvoll die Stifte. Doch die als Anhörung des ehemaligen Staatssekretärs deklarierte Sitzung entpuppte sich als Enttäuschung. Bezogen auf den Medikamentenskandal in der Justizvollzugsanstalt Moabit, der die Öffentlichkeit seit Monaten beschäftigt (Text unten), war der Erkenntnisgewinn gleich null. Trotzdem sagte der Auftritt viel aus.

Der 59-jährige Flügge war 2001 zum Justizstaatssekretär berufen worden. Zuvor war er lange Leiter der Abteilung Strafvollzug gewesen. In Justizkreisen ist es ein offenes Geheimnis, dass Flügge sich für den besseren Justizsenator hielt, ihm unter Berücksichtigung der Frauenquote aber Karin Schubert und von der Aue vor die Nase gesetzt wurden. Letztere hatte ihn im Februar überraschend entlassen, als der Medikamentenskandal öffentlich wurde.

Mit seinem freiwilligen Auftritt vor dem Rechtssausschuss ging es Flügge offensichtlich darum, seine verletzte Ehre wieder herzustellen. Diskreditiert fühlt er sich durch Medienberichte von Mitte April, die auf eine Pressekonferenz der Senatorin und des von ihr eingesetzten Leiters der Untersuchungsgruppe zur Medikamentenversorgung im Strafvollzug, Werner Heinrichs, zurückgehen. Bei dieser Pressekonferenz hatte Heinrichs unter Berufung auf Justizbedienstete eine Mitverantwortung Flügges für das jahrelange Organisationschaos bei der Medikamentenvergabe anklingen lassen. Bei seinen Recherchen im Knast sei ihm erzählt worden, so Heinrichs, dass Flügge den Anstaltsärzten den Rücken gestärkt haben soll, wenn die für Haushaltsfragen verantwortliche Gefängnisverwaltung beim medizinischen Dienst Verbesserungen angemahnt habe.

So etwas zu behaupten, ohne es belegen zu können, sei ein „rechtspolitischer Skandal“, empörte sich Flügge am Mittwoch. „Nach meiner Erinnerung“ seien ihm keinerlei Verbesserungsvorschläge in dieser Angelegenheit unterbreitet worden. Mit solcherart Darstellungen in dem Bericht „soll offensichtlich der Eindruck erweckt“ werden, er habe die Aufklärung durch „zielgerichtete Vorgaben“ verhindert. Auf die „Spitze getrieben“ worden sei das Ganze in der Presse mit dem Hinweis, dass seine Frau „pikanterweise“ Leitende Anstaltsärztin in Moabit sei.

Auf die interessanten Fragen der Opposition reagierte der Ex-Staatssekretär bemerkenswert zurückhaltend. Wann er seiner neuen Chefin von der Aue zum ersten Mal von dem Medikamentenfall in Moabit erzählt habe? Das wisse er nicht mehr, sagte er. Von der Aue hatte am 15. Januar 2007 vom Personalrat davon erfahren. Da war sie schon fast zwei Monate im Amt. Auch dazu, dass der Landesrechnungshof seit 2003 eine öffentliche Ausschreibung in puncto Belieferung durch eine auswärtige Apotheke angemahnt hatte, konnte Flügge nichts beitragen. Der Schriftverkehr sei vermutlich über den Tisch der zuständigen Fachabteilung gegangen. Ein Staatssekretär stecke nicht in allem drin.

Last but not least wollte der CDU-Abgeordnete Sven Rissmann wissen, warum so ein „eklatant rechtswidriges“ Medikamentensystem „trotz vermuteter Kenntnis einzelner Verantwortungsträger über Jahre habe funktionieren können? Darauf der Staatssekretär a. D.: Mit dem Begriff System wäre er „vorsichtig“. Man könne aus dem Bericht „auch herauslesen, dass es sich um eine erhebliche Schlamperei“ gehandelt habe.