Waffen- und Drogenschmuggel auf See: Hütchenspiel mit Containern

Die erste Studie über den Waffen- und Drogenschmuggel auf See ist veröffentlicht. Das Ergebnis: Jeder fünfte Transport der bekannt wurde, fand auf deutschen Schiffen statt.

Keine Zeit für Inspektionen: Container im Hamburger Hafen. Bild: dpa

STOCKHOLM taz | Im November 2010 fanden nigerianische Sicherheitskräfte auf dem Containerschiff "Everest" in 13 Containern insgesamt 240 Tonnen Raketen, Mörsergranaten und Munition mit dem nigerianischen Zielort Tin Can Port. Schmuggelware aus dem Iran, an Bord genommen im Hafen Bandar Abbas. Der Eigentümer des damals unter der Flagge der Marshall-Inseln fahrenden Schiffs sitzt in Hamburg, betrieben wird es von einer Containergesellschaft in Marseille. Hinweise darauf, das Eigner, Betreiber oder Besatzung etwas von dem Schmuggel wussten, gibt es nicht. Aber mit einem besseren Informations- und Kontrollsystem hätte die Fracht womöglich verhindert werden können.

Das meinen die Experten des internationalen Friedensforschungsinstituts Sipri in Stockholm, die am Montag die Studie "Maritime Transport and Destabilizing Commodity Flows" vorstellen. Es ist die weltweit erste Untersuchung über Schmuggel auf See. Hugh Griffiths und Michael Jenks haben alle rund 2.500 bekannt gewordenen Vorfälle der letzten zwanzig Jahre mit illegalem Waffen- und Drogentransporten auf großen Schiffen analysiert.

Der Fall "Everest" ist dabei beispielhaft. Denn die Mehrzahl der Schiffe, mit denen Waffen oder Drogen geschmuggelt werden, haben Eigentümer mit Sitz in EU- und Nato-Staaten. 19,5 Prozent der untersuchten Vorfälle betreffen Handelsschiffahrtsgesellschaften mit Sitz in Deutschland, gefolgt von solchen mit Sitz in Griechenland (10,6 Prozent) und den USA (7,8 Prozent).

Die Umstellung auf den Containerverkehr, die den internationalen Handel revolutioniert hat, biete "Schmugglern idealen Schutz", meint Griffiths: "Jeden Tag fahren so viele Frachtschiffe durch die Häfen, dass nur ein kleiner Teil inspiziert werden kann." Schiffseigentümer und Zollbeamte müssten oft einfach darauf vertrauen, dass in den Containern auch das ist, was in den Dokumenten steht.

Die Wissenschaftler halten es zwar für wenig verwunderlich, dass Schiffseigner mit Sitz in den reichsten Seefahrtsnationen und deshalb mit hohem Anteil an der weltweiten Handelsflotte auch auf der Schmuggelliste Spitzenplätze einnehmen. Sie haben aber keine Erklärung, warum deutsche Eigner so überrepräsentiert sind, denen weltweit nur 7,1 Prozent der Schiffe gehören.

"Versäumnisse bei der Überwachung"

Nimmt man speziell die Fälle, in denen Ermittlungsbehörden davon ausgehen, dass Reeder, Eigner oder Besatzung über das Schmuggelgut an Bord Bescheid wussten, verschiebt sich das Bild allerdings: Hier führen Schiffe mit griechischem Eigner vor solchen aus Nordkorea, Panama und dem Iran. Aber auch in dieser Kategorie "wissentlichen Schmuggels" entfallen knapp 40 Prozent auf Schiffe aus OECD-Staaten.

Das hält Griffiths für "eine Herausforderung": Es gebe "Versäumnisse bei der Überwachung und bei der Nutzung bestehender Mechanismen zur Bekämpfung des Schmuggels". Er fordert "eine internationale Zusammenarbeit. So hätte ein umfassenderer Datenaustausch auch bei der "Everest" womöglich ein Warnsignal auslösen können: Der Spediteur war bereits ein Jahr zuvor in einem OECD-Staat im Zusammenhang mit Waffenschmuggel aufgefallen.

Auch eine bessere staatliche Hafenkontrolle könnte hilfreich sein, meint Sipri. Damit werden zwar in erster Linie die Sicherheit der Schiffe und die Arbeitsbedingungen der Besatzung kontrolliert. Doch auch verdächtige Fracht fällt dabei immer wieder auf - wie kürzlich finnischen Behörden ein Transport von Patriot-Raketen aus Deutschland auf der "Thor Liberty". Der allerdings stellte sich dann als legal heraus.

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